„In Augenkontakt mit den Dingen sein, für die ich Wörter zu sammeln versuche.“
Christoph Wilhelm Aigner
"Die Krähe
fürchtet die Krähe nicht
aber der Mensch
ist des Menschen
bangste Begegnung."
Hilde Domin
Die Wahrheit in der Begegnung (18.05.2024)
Was verraten dir deine Facetten,
wenn du dich näherst,
dein vierblättriger Rücken
deine Präsenz in die Stille hebt
und den Fluss der Zeit bestimmt?
Deine Neugier adelt mich.
Legt sie doch wieder mehr Gewicht
in die Waagschale der Bedeutsamkeit.
Der Sturm (18.05.2024)
Willst du dem Sturm
wirklich sein Wesen entreißen?
Hast du denn letztendlich
nicht schon in sein Auge geblickt?
Ist die Jagd nach seiner Wahrheit
nicht nur ein Deckmantel –
für die Ruhe danach?
Die Worte, die ich nie schrieb (18.05.2024)
Die Worte, die ich nie schrieb,
sind die stummen Zeugen
eines unvollendeten Mosaiks.
Wie Scherben liegen sie
in Jahrtausend alter Erde,
wartend auf die Entdeckung
der Sprache.
Kein Liebesgedicht (18.05.2024)
Wenn die Liebe
die Feder nicht berührt,
das Papier welkt
unter der Abwesenheit
von Berührung,
öffne die Poren,
tränke es mit der Glut
der Imagination
und verhindere für eine Weile
den Verfall der Zellen.
Sei gewiss (18.05.2024)
Bevor du den Spiegel aufhebst,
festige deinen Stand, sei dir gewiss,
der Schlag aus dem Nebel kommt direkt
und stumpfes Glas zeigt hässliche Fratzen.
Der Blick in den Lauf (18.05.2024)
In den leeren Regalen
offenbart sich das Gesicht
eines heraufziehenden Nebels,
zeigt sich die Verletzlichkeit der Realität.
Der Blick in den Lauf demaskiert,
doch das Schlafende erwacht erst,
wenn die Wege sich verengen
und die Wände näher rücken.
Herkunft (18.05.2024)
Wenn sich die Schatten
ihrer Herkunft erinnern,
bekommt der Blick
in den Spiegel Konturen
und der Kaninchenbau wartet.
Zärtlichkeit des Wassers (18.05.2024)
Getragen von der
Zärtlichkeit des Wassers
vereinigen sich die Akteure,
fällt der Vorhang und
das Schweigen ergibt sich
der Rotation der Erde.
Wenn die See sich glättet (04.05.2024)
Betrachte die seelenlosen Figuren
mit den abgegriffenen Stellen,
aus denen der Ursprung entschwindet.
Deren strahlende Gewänder
ohne jedweden Nährboden verblassen
und ignoriere das Offensichtliche.
Folge ihrer Anatomie bis ans Ende,
fokussiere die Poren, spring hinein
und lass dich hinunterziehen
in die tiefsten Schichten der Cellulose.
Treibe auf ihren Bahnen
und lausche dem Klang der Silben,
wie sie blau aus der Oberfläche tropfen.
Umgarne sie, nimm sie bei der Hand,
werfe sie zurück in das Mosaik,
danach nimm den Kanten ihre Schärfe.
Und wenn du am Ende
das Bild nicht zu deuten vermagst,
aber die See sich glättet,
dann hast du es geschafft –
du warst dir treu.
Vom Organismus der Worte (27.04.2024)
Unaufhörlich hämmern sich
die geladenen Sekunden
durch das Labyrinth der Gegenwart,
verspotten den Weg zur Erlösung.
Doch hinter jeder Ecke
folgt nur ein weiterer Weg,
denn das Labyrinth nährt sich
von der ewigen Ausstellung
der Schattengalerie und ihren
narzisstisch monochromen Werken.
Was bleibt, ist die Feder mit festem Griff
in das Gift der Sekunden zu tauchen
und ihr Gewicht in die Seiten zu drücken.
Sie zwischen den Zeilen zu fixieren,
umarmt von einem Organismus,
der ihre Natur demaskiert.
Und wenn die Seiten befüllt sind,
sollen sie die Mauern des Labyrinthes zieren,
dass der Wahn der Sekunden verblasst
und das Hämmern verstummt.
Das ? – Vom Wahn seiner Schönheit (23.04.2024)
Infiziert durch Andreas von Ahnungslos: Von der Lust und Last des Fragens
Sind die Namen erst aufs Papier geblutet,
offenbaren sich dann die Farben,
oder haben sie nur die Idee vom Kern
in ihrem Namen getauft?
Enthält die Suche nach den Namen
nicht mehr Sinn –
als sie laut auszusprechen?
Ist ihr Erkennen der Aufbruch
in das Überleben
oder doch eher der Fall
in das Möbiusband?
Letztendlich
ist die Abwesenheit der Suche
des Rattenfängers Spiel
und der Verlust der Iris.
Nektar des Lebendigen (21.04.2024)
Meine Gedanken zu Andreas Oltzens wundervollem Staunen
Ist das Ende des Staunens
der Verlust des Kindlichen –
der Beginn des maskierten Lächelns?
Und wenn der Fluss
nichts weiter als der Fluss ist,
verschwinden die Blitzlichter,
die Bahnen veröden
bis zum Einsturz der Brücken.
Was übrig bleibt ist die eine Seite
und der Verlust der Erregung.
Doch was geschieht mit der Wahrnehmung,
wenn die Waage am Tiefpunkt fixiert ist?
Ein Fingerhut voll Erkenntnis (20.04.2024)
Kernlos hallen die Laute lebender Toter
durch die müden Wälder, befallen das Laub
mit der Anordnung ihres eigenen Alphabets
verhindern die Säuberung der Atmosphäre.
Die Bäume erzittern unter den Stimmen,
den fortwährenden Attacken nackter Gedanken,
die ihre Schneiden in die Rinden treiben.
Eine Kakofonie selbstgerechter Töne,
deren Blindheit sich über die Morgenröte legt,
wie Staub auf einer Endlosschleife aus Banalitäten.
Und sind die Stimmen verhallt,
verliert der Übergang von Tag zu Nacht
seine Bedeutung, trauern die Wälder
und das Spiegelbild erkennt keinen Makel.
Und der Horizont verschwimmt (16.04.2024)
Sie haben das Jagen verlernt.
Sie haben das Sammeln verlernt.
Haben ihre Kreativität ihre Wurzeln
mit Überfluss weggespült.
Und wofür das alles?
Hat sie der aufrechte Gang
aufrechter gemacht?
Macht sie die Verfügbarkeit
von Wissen weiser?
Was ist das Blut noch wert in einer Welt,
in der alles seinen Preis hat?
Eine Welt mitten im Aufbruch,
in dem der Weg –
seine eigene Richtung nicht kennt.
Ambivalenter Hautkontakt (15.04.2024)
Inspiriert durch Dulon (1. Vers)
Wie Ferne, die sich häutet,
entblößt die Verzückung
das Gesicht ihrer Nähe,
scheut die Kartografie
der Zellen getränkten Landschaft.
Für einen schmerzlichen Moment
der Ewigkeit flaut der Wind
und die Haut treibt ziellos dahin.
Doch dann schält sich die Distanz
bis auf den Kern ihrer Wahrheit –
lässt das Netzwerk erzittern.
Absurdität (13.04.2024)
Inspiriert durch einen wundervollen Satz von Dulon:
„Verfolgt von Fehlern verfliegen sich Worte, verkehren die Richtung im widersinnigen Lauf …“
Und hin und wieder
werden die Fehler fokussiert,
nutzen die Absurdität digitaler Werte,
machen sich die Richtungswechsel zu eigen
zum Wohle der eigenen Bilder.
Und der Lauf der Geschichte –
wird nicht der deine sein.
Nähe kann unnahbar… (13.04.2024)
Beim Anblick der Flügel
spüren die Zellen die Distanz
zwischen Wunsch und Gegenwart.
Doch hinter der Iris zeichnet
die Sehnsucht Bilder in den Sand.
Bilder aus wundervollen Konturen
bis zur Umarmung der nächsten Welle.
Die Quelle (09.04.2024)
In dem zarten Pflänzchen
kaum größer als das Board,
wie es antritt, die Arme ausbreitet
und aufbricht – in eine neue Welt.
Oder dem Aufbruch der Knospen,
wenn sich die Lungen erneuern,
die Tristesse in Farbe tauchen und
den monochromen Stillstand durchbrechen.
Wenn das Ergebnis
jahrzehntelang gegangener Wege
im Vorübergehen die Luft mit Zuneigung füllt
und seine Verbindung unterstreicht.
Liegt die Quelle der Bedeutsamkeit
in der Wahrheit der Betrachtung?
So gebt den Blicken mehr Raum –
um sich zu entfalten.
Der eine – Nachtrag (07.04.2024)
Doch der eine,
der die Jahre trägt
und alle Stücke erinnert,
der den Felsen hinaufrollt,
er schweigt,
wird ihm die Feder gereicht.
Werden wir auferstehen? (02.04.2024)
Und es zog aus, das Wort
zog aus, um sich zu stellen
der Armee aus Nullen und Einsen,
die mit dem kalten Kalkül
einer überschätzten Existenz versehen
unaufhörlich das Fundament infiltrieren,
an der Hand nagen, die sie nährt.
Eine Armee auf dem Vormarsch,
befeuert durch die Unfähigkeit zur Stille,
dem Verlust der Bedeutsamkeit
und der Angst vor der Wahrheit des Kerns.
Eine Armee auf dem Weg,
die letzten Glieder zu durchtrennen.
Und am Ende,
wenn das Summen die Lieder verhüllt
und das Flackern der Bilder die Farben trübt,
wird über allem die Frage stehen:
Wenn die Glieder durchtrennt sind –
werden wir dann auferstehen?
Was kommt danach? (29.03.2024)
Wo sind die leichten Worte?
Die filigranen, flüchtigen Gewebe,
die gezielt die Gefühle punktieren
und neue Inspirationen gebären.
Müde sind sie alle
müde ob einer Sprache,
in der die Hässlichkeit
zäh wie Teer aus den Ohren tropft.
Was bedeutet die Abkehr
von der Schönheit der Worte?
Sind sie doch die Verbindung –
zwischen den Menschen.
Überfüllt (29.03.2024)
Wenn die bleichen Knochen der Realitätsklauen
in Sekunden das Gemälde eines Lebens zerreißen,
fällt die Frage:
War der Platz auf der Anklagebank reserviert?
Das ambivalente Lachen des Satzzeichens
hallt durch den überfüllten Saal
und alles wartet –
auf den Richterspruch.
Das Gewicht der Sekunden (26.03.2024)
Die Leere,
wenn sich der Schatten offenbart,
verschlingt das Universum
und der Fleck auf der Weste
wird zum Zentrum der Sekunden.
Abkehr der Farben (24.03.2024)
Auf den Windungen der Imagination
trampeln sie kreuz und quer unaufhörlich
wie in überfüllten Einkaufsstraßen.
Die Antworten tanzen auf der Zunge,
drehen sich im Hohn wieder und wieder
und hinter der Leinwand explodieren die Bilder,
bevor die Farben ihre Bedeutung entfalten.
Wird die Stille jemals wiederkehren?
Resümee (23.03.2024)
oder der etwas andere Frühling
In den Fasern eines ausgehungerten Körpers
durchbrechen die zarten Spitzen der Erneuerung
das Erdreich, greifen nach dem Licht,
welches unaufhörlich Tag für Tag
der Dunkelheit ihren Platz streitig macht.
Aus tausend Quellen bricht der Hoffnungsstrom,
bahnt sich seinen Weg durch die Kälte ins Zentrum,
um den Kern der Existenz zu befreien,
vom Staub einseitiger Realitäten.
Doch das Licht ist künstlich, ohne Seele,
und so fehlt der Baustein zur Entfaltung.
Und die Kraft und die Wildheit des Stroms
zerschellen an den Talsperren
einer monochromen Landschaft.
Was bleibt, ist die Erinnerung,
die Erinnerung an die Wärme des Frühlings,
an Berührungen ohne Schatten
und den farbenfrohen Flug der Worte.
leise (23.03.2024)
Wieder einmal fallen sie
viel zu früh,
die zarten Kirschblüten
segeln leise ins Vergessen.
Wieder einmal obsiegt die Kälte
über die Schönheit.
Könnt ihr es sehen?
Könnt ihr es spüren?
Wort (23.03.2024)
Wort,
du liebendes,
du Berührung.
Wort,
du Flügelschlag,
du Ewigkeit.
Wort,
du tödliche Waffe.
Wer dich missbraucht –
tritt auf die Seele des Lebens.
Wie lang (28.02.2024)
Wie lang
behält die Iris ihre Tiefe,
wenn ihre Farben nicht gespiegelt werden?
Wie lang
bewahren die Zellen ihr Feuer,
wenn der Funke nicht geschürt wird?
Und wie lang
überlebt die Kraft der Worte,
wenn ihre Bedeutung nicht getragen wird?
In den Laboren unseres Daseins
bleibt manches Experiment
hoffentlich unbeantwortet.
Beim Lesen der Gedichte Hilde Domins (28.02.2024)
Wie ein zerbrechliches Kleinod
halten dich fast schon zärtlich
meine staunenden Hände
aus Angst, nur ein einziges Wort
könnte herausfallen, unberührt.
Mit neuen Augen betrachte ich
nach all der Zeit deine Welt
staunend über die neuen Farben,
die neuen Gewänder.
Und wie lang wir auch
die Zukunft schreiben,
so ist doch eines gewiss –
ich freue mich schon jetzt
auf unser nächstes Treffen.
Worte (26.02.2024)
Worte
nicht gesprochen,
nicht gedacht –
liebevoll ausgetragen.
Worte
zu früh entlassen
mit schwachen Flügeln –
in den Wind dieser Zeit.
Worte
gefangen im Flächenland
des 21. Jahrhunderts.
Vergebt mir meine Ungeduld.
Vergebt mir meine Hoffnung.
Wo sind die Fingerspitzen, (25.02.2024)
die den Dingen ihre Härte nehmen?
Wo sind die Blicke,
die das Land hinter dem Spiegel sehen?
Wo sind die Lippen,
die die Sprache der Fasern sprechen?
Sie sind flüchtig,
flüchtig wie die Gedanken.
Und am Ende nimmt das Papier
die Sehnsucht bei der Hand
und führt sie durch die Dunkelheit.
Nur das eine (23.02.2024)
Ich tauche meine Füße
in die Schrift der Wellen
und ihre Verse
brechen sich an meiner Sehnsucht.
Ich benetze meine Iris
mit den Farben der Morgenröte
und ihre Gemälde
zerspringen auf meiner Leinwand.
Ich fülle meine Lungen
mit dem Atem des Waldes
und sein Bouquet
erhebt meine Gedanken.
Und wenn ich mein Leben
in diese Welt entlasse,
so ist da nichts,
was mein Herz begehrt –
außer dem Gleichklang von Seelen.
Auflösung (20.02.2024)
Eine Betrachtung dreier Gemälde von Carmen Tyrrell
Die Intensität des Augenblicks spiegelt sich
in der Gegensätzlichkeit der Farben.
In der Vollkommenheit der Berührung
verliert die Zeit ihre Bedeutung,
zeigt sich die Schönheit der Vereinigung
und die Übereinstimmung der Zellen.
Sich auflösen im Herzschlag der Umarmung
und ihn zulassen – den süßen, unverfälschten Fall.
schweigend (19.02.2024)
Das Blut fließt
aus den Wunden
einer überschnellen Evolution.
Gibt es eine Abkehr
von der Gewöhnung
zum Wohle der Annäherung?
Wer führt die Herde
von den satten
immergrünen Weiden?
Das Blut fließt
und das Papier –
stellt keine Fragen.
Die Formel (18.02.2024)
In den Kopf leeren Momenten
entweicht die Leidenschaft
der erzwungenen Form,
ergießt sich verheißungsvoll
in das eroberte Refugium.
Im Fokus der Ermangelung
erheben sich unzählige Wesen,
tanzen ungezügelt in die Nacht,
umarmen wortlos die Schatten.
Ihr wildes Spiel füllt die Schleifen,
entwaffnet die leeren Geräusche
und erschafft eine Ausfahrt.
In der Rückkehr ins Zentrum
liegt die Kraft der Analyse
und die Formel zeigt nichts –
außer der Einfachheit.
Weiße Flecke (18.02.2024)
Im Zwiegespräch der Akteure
liegt die Kraft für den Aufbruch.
Durch das Licht der Akzeptanz
nähern sie sich behutsam,
Schritt für Schritt dem Kern.
Ist ihnen die Leere bewusst,
die ihre Abwesenheit erzeugt?
Die trostlosen weißen Flecke
auf dem Gemälde des Alters?
Ihre Beiträge erschaffen Welten.
Sehen und gesehen werden
durch das Glas der Erkenntnis
bis zum Erwachen der Symbiose,
dem Brunnen der Intensität,
der in sich die Farben birgt
für ein funktionierendes Gefüge.
Wie Faustschläge (16.02.2024)
prasseln die Wortgefechte
emotionsgeladen an die Decke
des überfüllten Zimmers,
drücken auf den Sehnerv.
Immer wieder neue Gesichter
auf der Versammlung
der selbst ernannten Eigentümer.
Und sie alle kämpfen ihrer Natur gleich,
um Beachtung, wollen gehört werden.
Doch es sind so viele Sprachen
und so bleibt einmal mehr
das Treffen ohne Ergebnis.
Das Zimmer wird kleiner und –
ihre Gesichter verschwimmen.
Spürst du …? (16.02.2024)
Es beginnt als leiser Hauch,
der im Rhythmus seiner Sehnsucht
das junge Schilf zärtlich biegt.
Sich steigert in ein leichtes Beben,
welches wieder und wieder
die Architektur der Verzückung belebt,
bis unzählige Schwärme aufschrecken,
die Wipfel des Verlangens befreien
in einem Rausch der Resonanz.
Spürst du den leisen Hauch?
Die Intensität seiner Sprache?
Dann lass deine Augen geschlossen –
wach nicht auf.
Erinnerst du …? (13.02.2024)
Auf dem Meer der Erhaltung
ausgelassen die Grenzen verwischen.
Mit vollen Segeln uneinholbar,
bis der Wind seine Kraft verliert.
Dann in der Weite eine Stimme:
„Erinnerst du die Libelle,
wie sie den Augenblick
mit der Sprache ihres Fluges
aus der Zeit nimmt und ihre Neugier
von der Bedeutung der Gegenwart erzählt?“
„Erinnerst du den Schmetterling,
seinen flüchtigen Kuss,
wie er mit zarten Flügeln
das Geheimnis der Berührung
auf deiner Haut hinterlässt?“
Du erinnerst,
entfesselst die Worte –
und der Wind frischt auf.
Wenn nichts mehr spricht (11.02.2024)
Wenn nichts mehr spricht,
außer der Stille,
malen sie Bilder der Resonanz.
Wenn nichts mehr spricht,
außer der Sehnsucht,
lassen sie die Zellen tanzen.
Wenn nichts mehr spricht
außer den Schatten,
sammeln sie das überlebende Licht.
Und wenn nichts mehr spricht
außer der Nacktheit,
dann singen sie die Gedanken,
füllen das Vakuum
mit den Farben ihrer Lieder.
Wo ist sie hin? (10.02.2024)
Die Gedanken zerplatzen,
wie Seifenblasen,
an den Stacheln der Banalitäten,
da der Wind nicht nachlässt
und seine Richtung unkontrollierbar ist.
Das Gefieder der Vorstellungskraft,
durchnässt von Halbwahrheiten,
hängt müde und schwer,
sehnt sich nach der Wärme der Reflexion.
Ich erinnere den Kranich,
wie er in weiten Kreisen
die Sonne in seinem Gefieder fängt
und vermisse die Leichtigkeit
des Augenblicks.
Warten (10.02.2024)
Warten auf den Tag,
da sich die Sinne erinnern
an den Geruch der Erneuerung,
ihn absorbieren, bis zum Aufstieg der Worte.
Warten auf den Tag,
da die Farben erwachen,
sich im wilden Tanz ergießen
und verankern auf der Leinwand der Fantasie.
Warten auf den Tag,
da sich die Zellen laben,
an dem Licht der Reinheit
und sie atmen mit dem Herzschlag der Existenz.
Warten auf den Tag,
da sich die Wunder erheben,
den Blick erneut schärfen,
ihn befreien von allem, was nicht Leben ist.
Und wenn der Tag kommt,
wird der Kern jubilieren und
die Gedanken ihr Federkleid erneuern.
Eine Frage (08.02.2024)
Weiß die Blüte
von der Kraft des Erwachens?
Weiß die Seele
von der Schönheit der Tränen?
Weiß der Wind
von den Flügeln der Worte?
Weiß die Stille
von der Intensität des Moments?
Liegen nicht all diese Geheimnisse
in den Farben hinter der Iris
und in der Sprache der Zellen?
Berührung (03.02.2024)
(Inspiriert durch ein Waldkonzert der Sängerin AURORA)
Mit dem Erwachen der ersten Klänge
entschlüpfst du dem Schutz deiner Blüte,
bekleidest dich mit deinen Versen,
und entfaltest die Flügel des Staunens.
Getragen durch die Leichtigkeit deiner Seele
entströmst du deinem Kern in die Freiheit
und bestäubst die Haut des Lebens
mit deinen Farben.
Demütig betrachte ich die Reinheit deines Wesens,
spüre die kleinen Tritte auf meinem Herzen
und am Horizont keimt etwas Hoffnung.
unerforscht (03.02.2024)
In den kalten Hüllen der Unzufriedenheit
verwahrlosen die unerforschten Regionen.
Durch den nach außen verankerten Blick
wachsen sie stetig und unaufhaltsam,
die Mauern der Verödung.
Verhindern das Absorbieren der Farben,
die Entdeckung der eigenen Weltkarte
und die Transparenz der Wunder.
vielleicht (22.01.2024)
Vielleicht kommt eine Zeit,
in der die Reichen arm sein werden,
denn Klarheit lässt sich nicht kaufen.
Vielleicht kommt eine Zeit,
in der die Hasser verstummen,
da Menschlichkeit der letzte Rohstoff ist.
Vielleicht kommt eine Zeit,
in der die Gespiegelten verblassen,
denn alles Künstliche erzeugt keine Wärme.
Und vielleicht kommt eine Zeit,
da die Ungestillten, die das Leben zerfleischen,
für die Unsterblichkeit ihrer Seele,
vergehen, da sich die Vernunft erhebt.
In dieser Zeit siegt vielleicht die Erkenntnis,
dass nur die Annäherung an das Leben selbst
die Löcher in den Herzen derer füllen kann,
die aufgehört haben zu träumen.
Spielplatz (13.01.2024)
Unbedacht abgefeuerte Wortpatronen
prasseln steten Gerölllawinen gleich
von den Gipfeln der Taubheit
und wie Seifenblasen so zerbrechlich,
füllen die vielen Realitätsergüsse
die Luft, zerplatzen und benetzen
die Sicht aufkeimenden Lebens.
Was bleibt ist die Flucht, die Flucht,
zur Bewahrung der kindlichen Seele.
Die Flucht vor der wachsenden Kälte,
dem Erstarken unaufhörlicher Zivilisation.
So wird jede Farbe transformiert,
zu Nahrung bedürftiger Emotionen.
Jeder Ton wird sorgsam verankert,
auf den Saiten der Leidenschaft
und jede Melodie wird zu einem Hauch,
der aus den Wipfeln der Sehnsucht
von der Entfaltung des Kindlichen flüstert.
Fragmente stiller Schönheit zu Bildern gewebt
und in die Weiten der Wünsche entlassen,
bis sich die schwelende Intensität ergießt,
zum Horizont und darüber hinaus
und er erwacht, der ersehnte Spielplatz,
das zu Hause – einer ungezügelten Seele.
Grausame Geliebte (09.01.2024)
Vor langer Zeit schälte ich
mein Wesen bis auf den Kern
und tätowierte in einem Hochgefühl
die Worte „Nur schöne Dinge“
in seine ungeschützte, kindliche Haut.
Euphorie ist eine grausame Geliebte.
Der Eine (09.01.2024)
So lange schon
spielen die Akteure
auf den Brettern,
die den Kern bedeuten.
Haben gelernt,
ihr Stück Hand in Hand
zu spielen.
Doch da ist der Eine,
der im Hintergrund agiert,
an keiner Probe teilnimmt
und kommt und geht,
wie es ihm beliebt.
Der Eine - ohne Namen.
Der Eine - ohne Gesicht.
Wenn er aus dem Nichts
auf die Bühne springt
zerspringen die Texte
der anderen Akteure
und das Stück
verliert seinen Fluss.
Leben ohne Zuneigung
ist eine Reise ohne Farben.
Doch wer geliebt werden will –
muss sich offenbaren.
Ja, es fehlt (06.10.2024)
In den unbeholfenen Berührungen
unseres Schweigens
verleugnen sich Angst und Unsicherheit.
Die Leichtigkeit unserer Augen
verbirgt die Enttäuschung
über das fehlende Puzzleteil
und mit leichten Flügeln
verlassen Erklärungen die Lippen,
verteidigen die Grenzen des Individuums.
Zwei einsame Bollwerke
in der Brandung verlorener Zellen,
deren Schreie – stumm verhallen.
Sie flüstern (05.01.2024)
Aus der hölzernen Geometrie des Erinnerns
flüstern die Bewohner dutzender Kuben
die Bilder ihrer absolvierten Wege.
In unzähligen Sprachen bewahren sie
das Vermächtnis nicht anerkannter Freiheit,
den Irrglauben falsch verstandener Macht
und entblößen die Hässlichkeit lebender Kälte.
Doch dann erzählen sie vom Erwachen der Liebe,
dem Nektar der Leidenschaft – seiner Süße –
die trotz all des Leids ihre Unsterblichkeit
im Herzen der Unendlichkeit verankert.
Offenbaren die Allgegenwart der Schönheit
und skizzieren die Pfade zu ihrem Wesen,
auf dass – die Blindheit geheilt werde.
Die Worte, die ich nie schrieb (19.12.2023)
Die Worte, die ich nie schrieb,
sind die stummen Zeugen
eines unvollendeten Mosaiks.
Wie Blei fließen sie durch meine Venen,
legen sich in Ketten um den Funken meiner Sehnsüchte.
Es sind Verse,
die mit der Süße einer jungen Liebe gleich
das Fundament deines Wesens beflügeln.
Den Fluss deines Lebens beschleunigen,
zu den Stromschnellen deiner Begierde.
Silben, die wie der Morgentau
erwärmt durch erste Sonnenstrahlen,
jeden Zoll deiner Sinnlichkeit benetzen,
die Geduld deiner Zellen auf die Probe stellen.
Worte, die sich zu Melodien aneinanderreihen
und wie Efeu wild um deine Sinne winden.
Die deine Fantasien befeuern,
bis zum Ausbruch der Vorstellungskraft.
Bilder, die ich auf die Zeilen deiner Lust male.
Die auf den Saiten deiner Fasern tanzen,
bis die Quelle deiner Erregung
durch die Oberfläche der Vernunft bricht.
Strophen, die verwebt zu warmen Decken
dich des Nachts umschließen und behüten.
Die Alben von deiner Seele küssen,
wenn das Licht die Existenz verlässt.
Es sind die Worte, die ich nie schrieb;
die wie Scherben in Jahrtausend alter Erde liegen,
schlafend warten auf die Entdeckung und –
die Vollendung des Mosaiks.
Und die Antwort ist Schönheit (09.12.2023)
Und wieder erzittert der Kern
unter ihren Fäusten.
Und wieder vibriert die Hülle
unter dem anhaltenden Gezänk.
Sie, die alle ihre eigene Stimme besitzen.
Sie, die in ihrer Unterschiedlichkeit
nicht gleicher sein könnten.
Sie alle eint das Streben nach Schönheit,
und die Abwesenheit von Schönheit
bedeutet Kälte.
Und so kämpfen sie jeder für sich,
unwissend der Mitstreiter an ihrer Seite
und bedrohen den Kern
und bedrohen die Hülle.
Doch bricht der Kern,
entsteht ein Ungleichgewicht
und die Integrität fürchtet um ihre Existenz.
Und wenn die Hülle reißt,
entweichen die Bilder,
verlieren sich die Farben
im Strom der Konformität
und die Kälte obsiegt.
Die Abwesenheit von Schönheit
bedeutet Kälte –
doch jene,
die auf der Sonne laufen,
spüren keine Kälte
und erhitzte Gemüter
frieren selten.
Die vergessenen Worte (03.12.2023)
Sind die Menschen taub
geworden?
Es wurden die Worte
doch alle gesprochen.
Sind die Menschen blind
geworden?
Es wurden die Gedanken
doch alle geschrieben.
Es wurde ergründet,
verstanden und gewarnt.
Es wurde durchschaut,
verdeutlicht und ermahnt.
Sind die Worte nur Geräusche
einer Großstadtmelodie?
Sind die Gedanken
nur dekorative Platzhalter?
Verliert sich die Weisheit
in den Winkeln
unzähliger Realitäten?
Welche Worte besitzen
das Licht –
zur Unsterblichkeit?
Und am achten Tage (03.12.2023)
Und am achten Tage
folgten die Schreie.
Die Schreie
der Menschen,
ohnmächtig,
ob ihrer eigenen
Hilflosigkeit.
Doch warum
zuhören?
Warum
eine zweite Chance
einräumen?
Die Erste gilt.
Doch sie bleibt ungenutzt,
denn ihre Wirklichkeit
ist die Schlagseite –
der Menschheit.
Der verlorene Kern (03.12.2023)
Unter dem Fokus der Oberfläche
verödet die Verbindung zum Kern,
sterben die Wurzeln. Doch wo
nichts fließt – ist kein Wachstum.
Die Individualität verliert sich
im Meer der Gleichförmigkeit,
weicht einer inszenierten Welt
aus suggerierten Puzzleteilen –
wasserlöslich und lichtempfindlich.
Auf der Suche nach Sichtbarkeit
bleibt die Substanz unberührt,
verrinnt wie die Zeit, ungenutzt,
im Stundenglas der Möglichkeiten.
Was bleibt sind bunte Hüllen,
instabil, haltlos und ohne Tiefe,
treibend im Kosmos der Illusionen.
Doch nicht für die Augen –
die sie erschaffen haben.
Der Sprung in der Platte (25.11.2023)
Und wir gingen hinaus,
hinaus in die Wälder,
hinaus in die Felder.
Und wir folgten den Ufern,
den Flüssen und Kanälen.
Wir suchten in den Straßen,
an Plätzen und Orten des Lichts.
um die Antwort zu finden,
zu ergründen, ob unsere Reise
ihren Wert beweisen würde.
Und wir waren frohen Mutes.
Gestärkt ob all der Wege,
die wir mit Kraft gegangen.
Inspiriert ob all der Bilder,
die wir mit Herzen sahen.
Hoffnungsvoll ob all des Lichts,
welches unsere Haut spürte.
So betraten wir das satte Grün,
strichen mit fokussierten Zellen
über die feinen Spitzen,
benetzten unsere Finger
mit dem Saft des Lebens.
Tranken den Nektar
vom Baum der Erneuerung,
bis das erste, zarte Flimmern
die Wahrnehmung füllte
und wir nähertraten.
Dann sahen wir sie,
die wohlgeformten,
frisch geputzten Blüten.
Wir traten in ihren Kreis,
genossen ihre Wärme,
ließen uns nieder in ihrer Mitte
und begannen zu lauschen.
Lauschten dem Wind
in ihren Gewändern,
folgten den tätowierten Worten
auf ihren Stängeln.
Dann dimmten sie das Licht
und die Blüten traten nach vorn,
absorbierten die Wahrheit.
Und wir sahen nicht die Dornen.
Sahen nicht,
wie die feinen Wurzelspitzen
die Erde um uns durchstießen,
sich windend näherten,
bereit zur Assimilation.
Der Peitschenknall
der ersten Berührung riss
den Schleier aus der Luft,
offenbarte die trockenen,
hölzernen Stiele mit den
aufgesetzten Blütenblättern.
Und sie waren alle gleich.
Und die Stimmen der Vögel
waren die alten Stimmen.
Und der Duft der Blüten
war ein altbekannter Duft.
Und die Bäume trugen
die gleichen Gewänder.
Und der Kreis wurde zur Arena.
Und wir begannen zu laufen.
Wir erreichten den Rand,
blickten zurück und
die Augen brannten.
Sie brannten, weil
der Sprung in der Platte
irreparabel schien und
nirgends eine Hand,
die versuchte
die Nadel anzuheben.
und so liefen wir,
liefen und
hielten unseren Blick
auf den Horizont gerichtet.
Wie liefen
und im Hintergrund -
sprang die Platte.
Novembererkenntnis (06.11.2023)
Auf den Wegen schichten sich,
in stiller Umarmung,
die gefallenen Tage
zu einem Mosaik der Erkenntnis.
Behutsam nehmen sie
die Gedanken in ihre Mitte –
flüstern leise von Erneuerung.
Die Sehnsucht der Rezeptoren (07.10.2023)
Ich tauche meine Hände
in die glühende Morgenröte,
gieße sie über mein Gesicht
und spüre die Wärme
deiner heraufziehenden Leidenschaft.
Ich hänge meine Sinne
in den auffrischenden Wind.
Seine Berührung zeichnet
die Landkarte deiner Erregung
auf meine dürstende Haut.
Meine Lippen küssen
die Süße deiner Verzückung
aus der kühlen Frühe,
laben sich an ihr, wie das Gras
am Tau des Morgens.
Meine Augen formen
die Kurven deiner Sinnlichkeit
aus den Wolken und
brennen sie auf den Horizont,
weisen mir den Weg zu deiner Lust.
Und in der Nacht setze ich Sterne
auf die Konturen deines Gesichts,
verankere deine Schönheit
im Mantel der Nacht –
bis ich aufwache,
den Wunsch laut ausspreche.
Betrachtung des Lichts (03.10.2023)
I
In konzentrischer Sanftheit
ergießen sich 1001 Nacht
hingebungsvoll in die Gegenwart.
In weichen Figuren
fließen Licht und Schatten
über das dunkle Holz,
erwecken den Boden zum Leben,
ertasten die Realität.
Unter ihren Berührungen
löst sich die Materie,
verliert ihre Härte –
wie das Herz.
II
Die Wahrnehmung folgt
der Verbindung zur Außenwelt
und aus Zwei wird Vier,
aus Innen wird Außen,
bestätigt die Gefahr
ihrer Naivität.
Paul stellte die richtige Frage,
kannte die Antwort.
Doch wem ist sie zugänglich?
III
Zurück zur Form,
fällt das Bewusstsein auf den Kern
und der Kern ist Licht.
Durchlässig ist die Form,
doch so lange das Licht entweicht –
kann Schönheit sich entfalten.
Wächter des Turms (30.09.2023)
(Du wirst es wissen)
In deinen Gesten lebt die Stille
und deine Stille ist sehend.
Unter ihr existiert eine Welt.
Eine Welt, die Morpheus selbst
sich nie zu erträumen hoffte.
In der Euterpe und ihre Schwestern
ihre Samen pflanzen, abseits
der Windungen des Gewöhnlichen.
Wo Nymphen sich niederlassen,
am Fuße des Turms, verzückt
den Gesängen deiner Welt lauschend,
staunend über die vielen Stimmen.
Und wenn die Abendsonne
ihre Zauber webt, steigt Iris auf
und berichtet dem Olymp –
von deiner Leidenschaft.
Sappho geht Schwimmen (16.09.2023)
Die Schultern leicht zurückgeworfen,
nach vorn gewölbt die süße Zier, ertastet
sie die Welt mit scheuen Zehenspitzen,
verbindet die Gegenwart mit jedem Schritt
und mit dem Wesen eines Schwans schreitet
sie in seine Arme, ergibt sich dem Liebesspiel
aus Schönheit und kühlem Nass.
Mit Widerwillen gibt er sie frei, löst
die Umarmung, die so inniglich begründet.
Verzückt entsteigt sie ihrem Liebsten,
unterbricht zum Abschied ihren Tanz und
in einer Geste der Unendlichkeit hebt sie
die Arme, ordnet das wallend feuchte Haar
und offenbart die unverhüllte Weiblichkeit,
eines Künstlers Muse – sein Vergehen.
Die Intimität der Momente (23.08.2023)
flimmert, wie Sonne
auf heißem Asphalt,
über die Großleinwand
meines Gehirns.
Ein Universum der Gefühle
in einer Nussschale,
auf der Fahrt
durch die Zerbrechlichkeit.
In ihrer Bedeutung treibend,
setze ich –
meine Gralssuche fort.
Inspiriert durch Marie von Kuck - "Auf Parzivals Wegen"
Spaziergang mit L (20.08.2023)
Dem Kanal entgegen, voller Vorfreude auf die neuen Bilder.
Entlang der Liebe der Menschen zu Zäunen, Geometrie und
dem Streben nach Selbstbestimmung und Freiheit. Entfaltet
in kleinen, alltagsfreien Inseln, die Individualität flüstern.
Vorbei an knorrigen alten Weiden, die verwundet, versorgt,
sich dankbar dem Leben entgegenstrecken. Das blaue
Band säumen, offenbaren, wieviel Kraft der Wille in seinen
Fundamenten trägt. Auf der Eisenbahnbrücke innehalten,
tief atmen und aus dem blau grünen Kleinod ein Gefühl
schneiden, bis die Welt dahinter zum ersten Mal schwindet.
Befreit von anfänglichen Reizen auf die Sieben zu, die mit
ihren grün leuchtenden Zipfeln die kulturelle Vielfalt abstecken.
Dem Uferweg folgend, von Brücke zu Brücke, wo dichte
Bärlauchwolken, nach wenigen Metern, den Duft von Pasta
und Rotwein suggerieren. Überholt von vielen aufgemalten
Laufhosen, die in langen Fäden, die Sehnsucht älterer
Männer nach einem jüngeren Leben hinter sich herziehen.
Dann öffnet sich das Band und der Blick weitet sich. Gibt
die Zeugen einer vergangenen Zeit Preis, initiiert einen
kurzen Moment der Romantik. Ein älterer Mann, auf der
Stufe einer vernagelten Tür, kaum zu erkennen im Wald
der Graffitis, liebkost mit seinem Gesicht die Silhouette der
Stadt. Seine Verliebtheit folgt, wie eine ruhende Hand auf
der Schulter. Ein paar Schritte erzählen die Spraydosen
noch ihre Geschichten, dann folgt der abrupte Wechsel in
die glatte Welt der goldenen Quadratmeter, die sich zum
Glück schnell wieder der Schönheit ergeben. Durch den
spätgotischen Wächter die Insel betreten und bewusst
eintauchen, in die Welt der Giebel, Gänge und Höfe. Doch
zuerst auf den Gebeinen der Geschichte einen Moment
in der Weite Luft holen und sich von den Masten in eine
andere Zeit entführen lassen. Danach dem Pfad der
Galerien folgen und die Farben ihrer Kreativität trinken.
Die Lieblingsstraße betreten, dabei den Schritt an ihre
Leichtigkeit anpassen und die Bilder für eine spätere
Weinreflexion katalogisieren. Am Ende der Straße dann die
andere Seite für den Rückweg nutzen, um neue Blickwinkel
zu testen. Vorbei an herrenlosen Feuchtgaragen. Vereinsamt,
bewacht von augenlosen Fischern, die aufgereiht, wie
griechische Statuen den Weg zu meiner Burg weisen. Dann
sitzt da auf einer Bank eine kleine, ältere Dame, deren
Lächeln selbst die Sonne zu rühren scheint. Die glücklich,
unbeschwert die Beine baumeln lässt, als wäre es der erste
Tanz mit ihrer großen Liebe. Gefangen ob ihres Friedens
geht es inspiriert Richtung Westen, der gefüllt mit Glut
gesäumten Wolken der Stimmung die Krone aufsetzt und
die Vorfreude schürt, auf den nächsten Spaziergang mit L
– dem Ausleuchten der Schatten.
Die Bedeutung der Gegenwart (17.08.2023)
Der Versuch mit offenen Augen
die filigrane Schönheit festzuhalten,
ihr Wesen zu erfassen, löst das Leben
aus dem Fluss der Zeit.
Unbeeindruckt zeigt sich überall
neues Leben, folgt der Wahrheit
und seinen inhärenten Instinkten.
Ohne Kalkül säumt die Nymphe
das blaue Band, beantwortet die
unerwiderte Liebe mit Erblühen.
In den Wipfeln applaudiert der Wind,
fordert Zugabe von der Reinheit und
in einer Geste der Stille verliert sich
der Kontakt mit dem Bewussten.
Blau schimmernde Lichtblitze tragen
in ihrem Gefieder die Erkenntnis
der Belanglosigkeit und alles gleitet,
schweigt und füllt die Gegenwart
– mit Bedeutung.
Epilog zur Kneipenpoesie (13.07.2023)
In dem Spiegel
hinter den Gläsern
das ungenaue Ich
blutet und schweigt.
Elegant sommerlich gekleidet
steigt sie von ihrem Rad, wühlt
in den prall gefüllten Satteltaschen.
Das weiß graue Haar Fassade,
denn die Erscheinung und
die feinen Zeichnungen sprechen
Vitalität, Lebensfreude und
nie versiegte Lust.
Völlig selbstverständlich
nimmt sie auf dem Kantstein Platz,
dreht sich ihre Zigarette.
Den Oberkörper auf die
weit geöffneten Knie gestützt,
wirkt die Körperhaltung
wie Überdruss, wie ein
ungezähmtes Wildpferd.
Der erste Zug sehr tief
und genussvoll, erinnert
an einen postkoitalen Nachtisch.
Nach zwei weiteren Zügen
nimmt sie ihr Rad und
schiebt zurück in ihre Welt,
– freigeraucht
von einem Geheimnis.
Sie sind wieder da.
Schneiden die Geometrie
aus der Luft,
zeichnen ihre Labyrinthe
in den Himmel.
Kaum wahrnehmbar
picken sie die Sahnestücke
aus der blau gefassten Speisekarte.
Mit ihren
akrobatischen Manövern
ziehen sie
die Kopfwürmer
aus der Großstadt
meines Gehirns.
Eine Schwalbe macht
noch keinen Sommer
– aber einen Unterschied.
Ein Sommermärchen (20.06.23)
Mit ihrer Leichtigkeit
streichen die Stimmen
des Sommers
die Fassaden der Straße,
pflanzen ihre Stimmung
in dutzende Kübel
und verdrängen so
das Grau des Asphalts.
Die Musik aus der
offenen Kneipentür
legt sich, wie Girlanden,
um die Giebel der Häuser.
Ein weiterer Neubeginn
vergessener Prioritäten.
Und bis zum Herbst
legt sich der Sommer
über die Gesichter
des Alltags.
In den Parks
und an den Ufern
liegt das Leben,
hingetupft wie Blumen,
weit geöffnet
nach langem Schlaf.
Wie Bienen
schwirren die Gefühle
von Oase zu Oase,
bestäuben die Existenz
mit den Träumen
des Sommers
– Träume von Leichtigkeit,
Intimität und Erblühen.
Ich hefte meine Träume
an den Ballon des Sommers
auf das er sie hinfort nimmt
– sie ihr Spiegelbild finden.
Vorgezogener Sommer
(11.06.23)
Wie ein Schlussverkauf
für Sommerkleider
wandelt der Juni
durch die Straßen,
erzählt von der
Leichtigkeit der Gefühle,
setzt ihre Schönheit
in Szene.
Beschwingt rascheln sie
in leichten Schnittmustern
an mir vorbei.
Mein Lächeln badet
in ihrem Dopamin
und mein Herzorchester
erfährt ein Crescendo.
Vorgezogener Sommer 2
(11.06.23)
Angeregt durch den nährstoffreichen Boden
und die reichhaltigen Flüssigkeitsreserven
sprießen die Sitzundgenießblütler
vor den kulinarischen Tempeln.
Dazwischen picken sich Gutelaunefinken
die Goldkörnchen aus der Stimmung.
Wieder einmal ist das Opening geglückt
und das Leben – ganz einfach.
windstillen Momenten
schaue ich auf die
spiegelglatte Oberfläche,
voller Euphorie,
das Gesicht zu erkennen,
ihm einen Namen
geben zu können.
Doch bevor ich ihn
aussprechen kann,
die Suche zur Wahrheit wird,
wirft jemand einen Stein
und die aufziehenden Kreise
verzerren das Bild.
Und der Wind –
er nimmt wieder zu.
Selbsthilfe mit Romantik (29.05.23)
Die Zeit nimmt keine Rücksicht auf die,
die Zeit brauchen. Sonntagnacht und ich
zieh die Stunden Kaugummi zäh aus ihrer
60-Minuten-Schleife. Der wiederkehrende,
verzweifelte Versuch lebenserhaltender
Maßnahmen. Doch sie entgleitet mir, leer
und ungenutzt – unwiderruflich verloren.
Untergegangen in den regelmäßigen
Gruppensitzungen meiner Zeitfresser:
Dämonen, Kopfschleifen, Teufelskreise,
Gedankenketten und Kreisverkehr Analysen.
Nicht zu vergessen die Schauspieltruppe
„Seelenterror“, die wie jeden Tag, und in der
Abendvorstellung mit besonders viel Hingabe,
das Stück „Wir puzzeln uns ein Ich“ aufführt.
Sie zwingen mich mal wieder in ihre Vorführung.
Spulen ihre bekannten Dialoge ab, wieder und
immer wieder – aufreibend, Zeit tötend.
Niemand entkommt ihrem anhaltenden Gezänk.
Keine guten Aussichten für die Nacht. Kein
Grund schlafen zu gehen, außer der Vernunft
und ein müder Körper. Nur noch kurz die
verbrauchte Luft zusammen mit den ähnlich
gelagerten Wünschen in die Nacht entlassen.
Ich befreie die Balkontür von den Vorhängen,
da begrüßt mich auch schon mein alter Freund,
der ewige Berufsromantiker – Mond du alter
Schwerenöter; wir beide haben uns gefunden.
Sofort versucht er mich wieder zu verführen,
weiß genau, dass ich ihm nicht widerstehen
kann. Gießt sein sanft silbernes Licht über
meinen Balkon, so hell, dass ich die Farben
meiner Winterheide erkennen kann. Schon
zieht es mich hinaus zu ihm. Ich verschränke
die Arme, nur aus Frostgründen versteht sich
und nicke ihm einen vertrauten Gruß entgegen.
Ein klein wenig Angeber steckt schon in ihm,
so wie er da wieder mit seinem Aussehen
prahlt. Deutlich erkenne ich seinen Untermieter,
der so wie es scheint, auch nicht schlafen kann.
Dafür, dass keine Wolken ihren Auftritt stören,
sind die Sterne in dieser Nacht aber recht
schüchtern. Entweder sie trauen sich nicht
oder verblassen einfach in seiner dominant
narzisstischen Gegenwart? Kaum etwas regt sich.
Nur ein kleiner Hauch schleicht sich noch durch
die höchsten Blätter. Ein zart verspieltes Rascheln;
ein leises, rücksichtsvolles Flüstern. Stille auf der
benachbarten Bundesstraße.
Im Haus gegenüber wird in zwei Zimmern die
Schlaflosigkeit mit dem TV-Programm bekämpft.
Das typische kalte Licht flackert in die Nacht,
welches entsteht, wenn drinnen wie draußen
Dunkelheit herrscht. Unter mir das klassische
Sonntagnachtgemälde – Stillleben mit Auto.
Brav warten sie auf den kommenden Morgen,
wenn ihre Herrchen sie wieder ausführen.
Silbern glitzern und blitzen hier und da die
letzten Blätter. Er scheint mit ihnen zu spielen,
sie zärtlich zu liebkosen, bis sie für immer fallen.
Ja, mit Licht kann er schon umgehen. Weiß, wie
man unvergessliche, romantische Bilder malt.
Die tierischen Bewohner unserer Straße
scheinen allesamt schon zu schlafen. Oder
ist es schon zu kalt? Kein Leben ist in Baum
und Laub zu vernehmen. Wieder einmal
denke ich: so friedlich, so ruhig diese Welt.
Und schon kriegen sich auf dem benachbarten
See zwei Gänse in die Federn. Zu schnell mit
der sehnsuchtsvollen Romantik, du alter Träumer
– ich muss lachen. Doch schnell haben sich
die Gänse geeinigt. Der Disput war kurz und
tut der Stimmung keinen Abbruch.
Ich nicke noch einmal dankend in Richtung
Gesicht, denn die Kälte hat sich ihren Weg durch
meine Kleidung gebahnt – ein guter Grund fürs Bett.
Das neue ICH (20.05.23)
Das neue ICH, kernlos,
Treibsand für die Menschlichkeit.
Darwins Theorie triumphiert,
lässt die Empathie erfrieren.
Das Bild im Spiegel dominiert
die Wahrnehmung, verdrängt
den Blick auf die andere Seite.
Die Erde wird wärmer,
der Rest – kälter.
Die Dunkelheit fokussiert,
was der Tag ins Exil verdammt.
Sperrt aus, was nicht ins Herz gehört.
In der Nacht geboren,
überdauert die Schönheit
das gleißende Licht.
Voller Bewunderung (13.03.23)
Wieviel Blut
kann ein Blatt ertragen,
bis es unter dem Gewicht
der Feder zerreißt
und die Worte sich ergießen
in das Vergessen?
Ich bewundere das Papier –
für seine Kraft.
Auf der Leinwand
hinter dem Auge
folgt das Wort
keinem Gesetz
und die Projektion
ergibt sich dem Licht.
Aufs Papier geblutet,
formen die Worte
die ersten Konturen
einer neuen Suche.
In meinem Kopfflipper
jagen Gedankenkugeln
über die Spielfläche
meines Gehirns –
finden keine Löcher.
Schwer geht sich
der Teppich aus Vergänglichkeit.
Unstet wandert der Blick
von Schicksal zu Schicksal,
verliert sich in den letzten Liebesgrüßen.
Mit ihnen fällt die Leichtigkeit.