Frauke Krieger

Morgentau

 

Vor mir ein Meer aus Sternen

auf Stiele gegossen, auf Spitzen gestäubt

Perlen aus Mond

der Nacht Erinnerung

vergoldet im Minutentakt

vom Strahl des Morgens

auf die Wiesen gehaucht wie Vogelsang

vor mir ein Summen aus Sonnen

meine Milchstraße in Grün

Im Licht mein Schatten

 

Als im Licht mein Schatten zagte

Glühstaub durch mein Atmen stob

Als mein Aug zu leuchten wagte

Und mein Herz die Hände hob

Wusste ich, nur ich durch mich

Dass kein Schatten Dunkel schafft

Dass kein Licht nur Helle birgt

- und ich formte meine Nacht

 

Wenn mein Tag voll Sonnenbäume

Meinen Schatten schwärzen will

Wenn die Mondmilch meiner Träume

Dunkel meine Sehnsucht stillt

Sehe ich, nur ich durch mich

Wie ein Hauch, ganz weiß bewolkt

Meinen Schatten pudrig stäubt

- und der Nacht ins Sternlicht folgt

Lyrik & Sprecherin: Frauke Krieger

Musik & Flöte: Elisabeth Oltzen

Nebenwelt

 

Parallel und doch radial

wie der Strich im Kreis

zieht ein Wind durchs Herzenstal

weht so laut wie leis

weht so blau wie nebelklar

wie ein Traum im Eis

wogt um mich wie Schlangenhaar

bricht das Licht wie Glanz auf Stahl

braust um mich zum letzten Mal

und verweht im Immerdar

Ein Sinn

 

Gestern, heute, übermorgen

Sah ich Nebelwolken blühen

Hinter ihnen lag verborgen

Feucht verhüllt geheimnisvoll

Ein Kästchen voller Lebenssinn

 

Wie es vielversprechend glänzte

Schimmernd unter Schleiern stand

Wie mein Blick an Nebel grenzte

Dürstend und so sehnsuchtsvoll

Und ich keinen Zugang fand

 

Da wollt’ ich zu Wasser werden

Fließend durch die Schleier gehen

Dicht durchtränken alle Erden

Bodenschwer verheißungsvoll

Und im Dunste auferstehen

 

Ich wollt’ mich zur Sonne wandeln

Hitzig hell am Himmel stehen

Jeden Tropfen heiß durchwandern

Wassertrocknend wüstenvoll

Und den Nebel steigen sehen

 

Dann könnt’ ich das Kästchen bergen

Könnt' es, wollt' ich, an mich ziehen

Hätte endlich meinen Werken

Wegeweisend richtungsvoll

Ihren Sinn und Hall verliehen

 

Doch am Ende bleibt der Schleier

Bleibt das Kästchen feucht verhüllt

Oft erkauft’ ich Wissen teuer

- Sinnerschaffend ahnungsvoll

Bin ich doch von ihm erfüllt

Im Rausch

 

Im Rausch

Der Jahre, Klänge, Wesen

Im Fall

Der Wolken über mir

Im Sinn

Der Worte, die gelesen

Wie Regen tropfen auf Papier

 

Im Schein

Der Sterne, Monde, Sonnen

Im Blau

Der Wasser unter uns

Im Rausch

Der Liebe, die begonnen

Im feuchten Strömen des Monsuns

 

Im Laub

Des Wartens, Wirkens, Lebens

Im Staub

Des Weges hinter dir

Im Glanz

Der Tage, die vergebens

Umrankten Zeit, wurden Spalier

 

Im Wunsch

Des Denkens, Hoffens, Wissens

Im Sog

Der Waage, die jetzt steigt

Im Weich

Des erdbestickten Kissens

Folg ich dem Strahl, der sich mir zeigt

 

Folg ich

Dem Pfeil, dem Pfad, den Rinnen

Geh ich

Im alten neuen Licht

Hör ich das All laut in mir singen

Seh ich im Rausch der Welt Gesicht

Herz im Herzen

 

Vor Wochen bin ich aufgewacht

Hab gleich an mein Herz gedacht

Das ich immer schon wollt’ fragen

Wer es sei

Ich sah auf und sah es schlagen

Auf dem Kissen neben mir

Einfach so, ganz nebenbei

 

Auf mein Fragen, auf mein Drängen

Schloss es sich zu einem Rund

Und ich dachte, aus ihm klängen

Worte wie aus deinem Mund

Worte, die ich lang vergessen

Töne, die ich nie vergaß

Liebes Herz, du warst vermessen

Als ich weinend bei dir saß

 

Als ich später aufgestanden

Kam mein Herz leider abhanden

Just als ich es fragen wollte

Was die Liebe sei

Und als ich ihm fast schon grollte

Lag es plötzlich neben mir

Einfach so, wie nebenbei

 

Es war so blass und stumm und leer

Dass ich es hätte hüten mögen

Ich hob es hoch, es wog so schwer

Als ob es Lebensstränge zögen

 

Ich atmete es warm

Ich hauchte es zur Röte

Ich barg’s in meinem Arm

Verscheuchte seine Nöte

 

Und als nach langen Wochen

Der Sorge und der Pein

Mein Herz begann zu pochen

Fiel ich ins Pochen ein

 

Heut liegt mein Herz im Herzen

Und schlägt mit stummem Schlag

Ich werde es verschmerzen

Dass ich dich nicht mehr mag