Lea Scheitenberger

 

 

Gedichte kommen zu mir in der Nacht

 

Gedichte kommen zu mir in der Nacht

Stimmen sprechen in mir, leise, unbedacht

Drängen sich auf, schleichen sich an,

Hüllen mich ein,

Bis ich endlich (wieder) schlafen kann.

 

Gedichte kommen zu mir in der Nacht

Tun so, als ob sie mich schon lange kennen

Wie gute Freunde geben sie auf mich acht,

Lassen mich nicht los,

Durchdringen das Dickicht meiner Gedanken

Unermüdlich, voller Verlangen.

 

Gedichte kommen zu mir in der Nacht,

Kommen immer wieder, geben nicht nach

In Momenten der Schlaflosigkeit.

Versuchen es immer wieder,

Sind hartnäckig, kennen keine Scheu,

Bis ich sie endlich bemerke,

Ihnen zuhöre, (auf sie höre)

Ihnen Aufmerksamkeit schenke.

 

 

Bis ich endlich wieder schlafen kann.

 

 

 

 

 

Kneipenabend - Poesie

(Lübecker Lyriktreff)

 

Kneipenabend voller Poesie

Hier sitzen wir am Tisch vereint

Kerzenschein beleuchtet die Gesichter

Gesichter wie Gemälde:Lächelnd, mit Hund

Voller Freude und Verbundenheit

Ein Moment, der stimmig ist.

 

Photographien hängen an den Wänden

Angestrahlt von Scheinwerfern

In verschiedenen Farben.

 

Augen geschlossen, genießen

Gedichte hören,

Schwelgen und träumen,

Lauschen und fühlen

Den Worten folgen.

 

Die Stunden schwinden,

Verfliegen

Füllen sich mit Worten

Weißer Wein leuchtet,

Robert Frost wird erwähnt.

 

Und wir gehen gemeinsam auf den Wegen der Poesie

Die vorgetragenen Gedichte vermischen sich

mit all den vorangegangenen Gedichten

Und allen, die noch kommen werden.

 

Worte verflechten und verbinden sich,

Alle Gedichte fügen sich zu einer Einheit,

Werden zu einer Poetologie

An diesem Abend.

Eine Gemeinschaft

Versammelt um einen Tisch

Eine Nacht voller Poesie.

 

Hier kann ich wieder Wärme spüren,

Hier kann ich wieder etwas fühlen

Nach langer Zeit –

Sonst ist da die Distanz

In meinem Leben

Nur die Poesie kann sie überwinden.

 

Worte, die uns zueinander führen,

Worte, die uns hier verbinden.

 

Diese Nähe, die hier entsteht

Berührt mich.

 

 

 

 

 

 

Meer und Weite – Das bin ich

(Hanse Kultur Festival Lübeck, Juni 2022)

 

Als die Welt sich teilte

Worte gaben nach

Wusste ich endlich wieder: Das bin ich.

 

Es braucht Lücken und Brücken

Lyrik, Töne und Lieder

Die uns einhüllen, die uns vereinen

Die uns verzaubern, die uns erfüllen

Um zu wissen, wer wir sind.

 

Nichts als Meer und Weite

Worte berührten mich

Machten mich wieder lebendig

Ließen mich wieder spüren: Das bin ich.

 

Es braucht ein erfülltes Wochenende

Mit Musik Straß' auf, Straß' ab

Mit Melodien, Tönen, Gesängen

Die klingen zwischen den Gängen.

Es braucht einen Nachmittag voller Geschichten und Stimmen,

Die uns erfüllen, die uns vereinen

Um uns wieder auf uns zu besinnen,

Um zu wissen, wer wir sind.

 

Streife durch alle Gefilde

Sammle schöne Momente

Mit Musik aus allen Kulturen

Bunte Lampions, die über den Dächern hängen

Heißluftballons, die über der Stadt schweben

So erfüllt ist das Leben

Und ich fühle endlich wieder: wer ich bin.

 

Du sprachst vom „seltsamen Reiter“

Einem stattlichen Mann, der die Wellen teilte

Ein Gedicht inspiriert durch Fontanes Schauerroman.

Und du kommst und trägst das Gedicht vor (mit starker Stimme)

Wie eine alte Sage, wie eine alte Geschichte

Und du scheinst ganz darin zu verschwinden.

 

Wie der Reiter über die Wellen geht

Die Hufe berühren die Gischt

Weiße Wellen berühren die Eisen

Schwarz und stattlich reitet er fort

Unheimlich und schön.

 

Als die Welt bebte

Worte berührten mich

Spürte ich, dass ich lebte

Das Leben machte endlich wieder Sinn.

 

 

 

 

 

 

 

La Poesia

(Lübecker Lyriktreff)

 

Lasst mich staunen, lasst mich lauschen

Lasst mich eure Stimmen hören.

 

Lasst mich zögern, lass mich zaudern

Lasst mich zürnen, frei und wild.

 

Lasst mir Zeit, mich zu besinnen,

Lasst mir Zeit, mich zu entfalten,

Lasst mich sein, so wie ich bin.

 

Meine Bewunderung geschieht im stillen

Bis ich meine Worte finde.

 

Lasst mich staunen, lasst mich lauschen

Lasst mich eure Stimmen hören

Weil sie meine Sehnsucht füllen.

 

Lasst mich euren Worten folgen – immer weiter

Sie sind das Einzige, was zählt – in dem Moment

Das Einzige, was Sinn macht

In dieser durchgedrehten Welt.

 

Lasst mich staunen, lasst mich lauschen

Lasst mich eure Stimmen hören

Dafür möchte ich euch danken:

Dass wir uns begegnet sind.

 

Unsere Herzen verwurzeln sich in Worten,

Unsere Herzen treffen sich in Gedichten

Jeden Abend in der Kneipe

Wenn wir hier versammelt sind.

 

Lasst die Liebe doch den anderen,

Denn ich weiß, die Bewunderung gehört denen, die sich zeigen.

 

Lass mich zögern, lass mich bangen

Und doch sein: so wie ich bin.

 

Denn ich möchte mich auch zeigen

Meine Wünsche, mein Verlangen.

 

Wenn ich dann die Worte finde,

Lasst mich fühlen, lasst mich greifen

Alles, was da um mich ist – im Moment.

 

Lasst mich staunen, lasst mich lauschen

Lasst mich eure Stimmen hören

Die mich immer wieder finden,

Werden lassen, wer ich bin.

 

Lasst uns immer weiter wandern

Lasst uns immer weiter schreiten

Durch den Raum der Poesie,

In dem wir uns begegnet sind.

 

Unsere Herzen verbinden sich in Gedanken

Unsere Herzen berühren sich im Gedicht

Ein Umarmen, ein Umfangen

Alles, was dann möglich ist.

 

Lasst mich staunen, lasst mich lauschen

Lasst mich eure Stimmen hören

Weil ich hier so sein kann, wie ich bin.

 

Ich möchte gerne in eure Arme fallen

Und im Stillen dort verweilen

Mich im Moment mit euch vereinen

Bis das Muster wieder bricht.

 

Also lasst uns so verweilen

Bis die Worte ganz verklingen

Bis die Nacht vorbei ist

Bis sie gütig zu uns spricht.

 

Eine Verbeugung, eine Verneigung

Vor der Dichtung, vor dem Leben,

Ganz im Stillen

Das uns hier zusammen bringt.

 

 

 

 

 

 

Brücke zum Glück

 

Nur noch einmal kurz stehen bleiben

Auf der Wunschbrücke zum nächsten Traum

Am alten Haus.

 

Wo das Sonnenlicht klare Bilder der Hauswände

Auf das Wasser spiegelt

Wie realistische Gemälde, wie Photographien.

 

Wo die Enten die glasklare Oberfläche des Wassers

Zerbrechen, durchziehen

Mit ihren Choreographien.

 

Enten schwimmen entlang,

Gegen die Strömung, ein Spiel

Tauchen nach Algen,

Reihen sich ein.

 

Wo ein Reiher, anmutig und weiß,

Am Ufer steht und schaut.

Stolz und majestätisch

Hebt an zum Fang, gezielt.

 

Der weiße Reiher, ein Außenseiter?

Ein besonderer Gast, der hier lebt

Steht alleine, stoisch am Rand

Eine Eminenz

Beobachtet alles, blickt auf den Fluss,

Sieht auf den Grund, greift zu,

Wenn sich etwas bewegt.

 

Noch einmal stehen bleiben

Auf der Brücke zum Glück

Die Wünsche erfüllt

 

Noch einmal gehen

Über die Brücke voll Licht.

 

 

 

 

Von Ferne

 

Ein weites Feld

Über dem die Abendsonne steht

Sommerheller Abendhimmel

Verschwommenes Licht,

Das sich langsam rötlich färbt,

Abwendet.

 

Abgeblendet, sphärenhafte Wolken,

Die sich über den Himmel ziehen

Abendhimmel, der immer dunkler wird.

 

Der hohe Sommer steht über dem Feld

Ein einsamer Vogel, der darüber schwebt

Er kann in die Ferne fliegen,

Er kann in die Zukunft sehen.

 

Am Abend leuchten die Felder im Sonnenlicht

Von Ferne weht Sehnsucht zu mir herüber

Wehmütige Stimmung die mich umgibt.

 

Am Straßenrand hält ein Auto an,

Jemand steigt aus, um den Sonnenuntergang zu fotografieren

Einen Moment inne halten und die Abendstimmung genießen:

Über dem Feld, in der Ferne, das letzte goldene Licht.

 

Und ich denke an dieselben Felder in einer anderen Landschaft:

Rapsgelb im Norden. Noch etwas weiter weg.

Felder, die sich in meiner Erinnerung mit Freunden verbinden.

 

Wehmut, die in mir ist

Voll Schmerz, voll Mut, voll Stärke, voll Verlangen.

Immer wieder: Abschied nehmen, neu anfangen.

 

So viele Freundschaften habe ich gewonnen.

Auch wenn sie weit weg sind, bleiben sie doch bestehen,

Reichen hinaus in die Ferne

Und ich fühle mich mit ihnen allen verbunden,

Jetzt, da ich das Feld und den Vogel sehe

Hier, im Moment der untergehenden Sonne.

 

Von Ferne denke ich an euch, meine Freunde.

Ihr seid ganz in meiner Nähe.

Von Ferne fliegen Worte der Liebe

Von Ferne leuchtet leise der Flieder

Von Ferne sende ich euch Grüße

Von Ferne wehen Wünsche der Freude zu euch hinüber.

 

Flüstern leise: wann sehen wir uns wieder?

 

 

 

 

 

Moment – Konzentration am Küchentisch

 

Wir sitzen uns gegenüber am Küchentisch

Es ist ein sonniger Vormittag

Ich lese einen Essay, du schreibst eine Bewerbung.

 

Zwischen all den Stühlen,

Zwischen all dem Chaos, das kommt und geht,

Zwischen all den Sorgen um uns herum

Hält uns die Konzentration für ein paar Stunden fest.

 

In der Ruhe

Widmen wir uns ganz der Aufgabe:

Verbinden uns mit dem Text, mit der Arbeit, die vor uns liegt.

Verwenden all unsere Energie und Kraft für die Klarheit,

Die uns diese stille Versunkenheit gibt.

Wir sind in der Konzentration geborgen.

 

Konzentration am Küchentisch,

Konzentration im Sonnenlicht.

 

Konzentration lässt Inspiration fließen,

Konzentration lässt Gedanken ruhen,

Konzentration lässt Gedanken fließen.

 

Die Zeit verdichtet sich auf einen Punkt.

Die Zeit ist auf den Moment gerichtet

Ist begrenzt, nur für ein paar Stunden

Und doch so wertvoll, so erfüllt.

 

Gedankenarbeit zeigt, was möglich ist

Konzentration hält die Zeit fest,

Teilt sie in ein Davor und ein Danach.

 

Konzentration lässt Zukunft entstehen.

 

 

 

 

 

 

 

Schiffsverkehr und Heimathafen

 

Schiffsverkehr und Heimathafen

Bilden einen Gegenpol

Der Sehnsüchte

Des Herzens

Weite Ferne und zu Hause

In der Welt und vor der Tür

Manchmal dort und manchmal hier

Liegen unsere Ziele

Und Wünsche.

 

 

 

 

 

 

Mein Herz lege ich in deine Hände

 

Mein Herz lege ich in deine Hände

Und meine Gedanken lege ich weg.

Alles was ich brauche sind weiße Wände,

Eine Umarmung und ein bisschen Musik.

Alles, was ich einmal geschrieben habe,

Gilt nicht für immer; nur für dieses eine Mal.

Jeder Gedanke gilt nur für einen Moment

So wie das Gefühl, das ihn umgibt.

Wie lange?

 

 

 

 

 

 

Wünsch' dir was

 

Wünsch' dir was

Schreib' es auf

Schreib' es in die Sterne

Wird es wahr

Was meinst du?

 

Wünsch' dir was

Schreib' es in den Schnee

Schreib' es auf weißes Papier

Kannst du es sehen?

Schreib' es mit Sternenlicht

In der Nacht.

 

Wünsch' dir was

Wo bist du?

Du bist hier

Bist du da?

 

Komm' vorbei.

 

 

 

 

Stille Schneeflocken in der Nacht

 

Stille Schneeflocken in der Nacht

Tanzen, wirbeln, kreisen weiß umher,

Legen sich auf meine Hände,

Streicheln mein Gesicht, ganz sacht,

Unspürbar ist ihr Gewicht –

Schmelzen unsichtbar dahin,

Hinterlassen nur einen Tropfen

Und ein bisschen Kälte.

 

 

 

 

Schnee scheint blau

 

Schnee scheint blau

Erhellt die Nacht

Glitzert, funkelt, reflektiert

Imitiert das Licht des Mondes

Der dort oben, ganz fern, sacht

Am Himmel wohnt.