Soheyla Sadr

 

 

ein lächeln bleibt dir

 

 

weißt du noch
wie genießen geht?

dieser kleine moment
der so schnell verweht?

im einatmen das
jetzt buchstabieren

im ausatmen es
wieder verlieren

und doch bleibt da
etwas seelensüßes

ein aroma zwischen
deinen herzkammern

du kannst dich nicht
daran festklammern

nur ein lächeln
bleibt dir

 

 

 

 

 

 

 

mensch sein

 

 

als  leuchtendes licht
geerdet, mit himmelssinnen
hoffnungsvoll gelassen
fliessend, atmend

gegewärtig in der gegenwart
mit sanftem lächeln im herzen

eine einladung, inspirierend
wahrhaftig zuhörend
staunend, dankbar

mit offenem blick
zugewandt offen
aufrichtig, ehrlich, klar
suchend, wachsend
vergebend …

mensch sein

 

 

 

 

 

 

 

flugbahnen, deep rest

 


vielleicht
muss sich
die resilienz
dein starker wille
lichterleuchten
zu suchen

ab und zu
auch erholen
sich verkriechen
in tiefdunkler
höhle?

nach all der zeit
des hochhaltens
fortwährend trotzend
harten widrigkeiten

einmal ausatmen
loslassen – sich trauen
zu trauern?

auch die tapferkeit
muss einmal pause
machen

 

 

 

 

 

seelensamen


als die seele kaum
ihren namen rückwärts
buchstabieren konnte

wurden bereits von
unerkannten musen samen
ihr ins herz gesät

kindliche lebensträume -
noch obskure räume
für erwachsende zeiten

im tiefen herzschlag
der gezeiten wuchs sie
spiral in den himmel

 

 

 

 

 

 

auch wenn

 

 

auch wenn
der knotenkopf
nein brüllen will

immer wieder
licht machen
für ein ja: ja!

auch wenn
das wunde herz
aufgeben will

immer wieder
aufstehen für
das wunder:

leben

 

 

 

 

 

 

 

als ich

 

 

die nacht,

ihre schwarztöne

lieben lernte

 

mir die freude

ohne grund

zurück eroberte

 

als ich wieder

tanzte, sang -

meine lieder

 

da wurde es tag

 

 

 

 

 

 

 

zaubergarten

 

 

als uns noch
krabbelkäfer
beglückten

staunend
vollkommen
versunken
 
eben entdeckte
wundervolle
wunderwelt

im zeitlosen
zaubergarten
augenblick

 

 

 

 

 

 

 

verneigen

 

 

vor deinem lauten schweigen
werde ich mich nun verneigen

verstehen kann ich es nicht
dennoch stell ich uns ins licht

für das leben, für das gute
denn mir ist feierlich zumute :

tanze mit dem blau im reigen
zaubere himmel voller geigen

für einen kleinen augenblick
dann schau ich nie zurück

 

 

 

 

 

 

 

mondkind

 


hör nicht auf
zu träumen

immer hat
die nacht

eine farbe mehr
als nur schwarz

und der mond
leuchtet immer

einen herzschlag heller
als der welten not

 

 

 

 

 

 

 

wir gehen

 

 

wir gehen
in feldern aus
purem gold

ein lächeln
trägt unsere füße
schritt für schritt

wir sehen
keinen boden
bauen ihn selbst

uns aus zuversicht
unserem herzlicht -
ohne grund

tief wurzelnd
im wunderweiten
innenhorizont

 

 

 

 

 

 

 

 

am boden

 


wenn du doch
irgendwann kommst
um mich einmal
fest zu halten:

meine arme
sind stark wie nie
ich halte mich selber
hoch - wie lange schon
doch zum fliegen
reicht die kraft
nicht mehr

also,
du musst
herunter
kommen
zu mir
ich bin hier,
am boden

 

 

 

 

 

 

 

sommerstille

 


reigentanzende lichtschatten
aller sommer vereint -
in einem windlied, das dir

die erinnerung singt

farben, rauschen, mövenkreischen -
alles hier, in diesem augenblick
angelehnt an die unendlichkeit

 

 

 

 

 

 

 

was bleibt

 


wenn du nur lauschst -
der wind wispert weiterhin
in tiefvertrauten worten
unbuchstabierbar
wundervolles

er trägt, leicht
weitgeflogene partikel
von welt zu dir:

wüstenstaub
meereshäute
mondgestein

du kannst in deinem
haus auf reisen sein

du bist nicht allein

 

 

 

 

 

 

 

resilienzen    

 


lauschende
schritte segnen
den mutterboden
dessen mitte mich hält
meine blicke wandern
mutwillig zum himmel
der niemals schweigt
zu meinen herzwünschen
singen will ich immer
von den wunderdingen
trotzend reifen an allen
härten - fließende kräfte
gewinnen

 

 

 

 

 

 

 

im sehr tiefen tal

 


im sehr tiefen tal
leuchten moosfelder
mondlichtgolden

heilsam wundervoll

manchmal kannst du
ein singen hören
sanfthell

es wiegt dich mutter erde

im heilkrautduft
schlummerst du dich
wieder gesund

 

Für Bea

 

 

 

 

 

 

 

sternenstaub

 


wer hier auf erden
nicht an wunder glaubt
hat sich des zaubers
der welt beraubt

wäre unser planet
von realisten erbaut
er wäre wohl auf
konzeptpapier

verstaubt

 

 

 

 

 

 


nicht alle
haben ihn
vergessen

als er in seinem
rettungsboot
verschwand -

die vier wände
getragen allein
durch seine hände

fast verwaist -
wären da nicht

kinderlachen
himmelsweiten
sommerwinde

 

 

 

 

 

 

 

zu viel dunkles gedacht?

 


wenn mich all das übermannt
lege ich mich am kühlen rand
der sommersternennacht
auf den gelben erdtrabant
der still über mich wacht

 

 

 

 

 

 

 

mitgefühlt

 


so weit weg, doch nah
es wird niemehr wie es war

in höheren sphären
können herzen gewähren

zu sein, was wir gerne wären:
knotenverwunden herzverbunden

 

 

 

 

 

 

 

vor der wildblume lernen

 

 

wie lang und rau

die stürme waren

 

wie kalt und hart

der winter wütete

 

die wildblume sprießt

aufs neue ins leben

 

 

 

 

 

 

 

herz meiner seele


nachdem ich fast
alles verloren hatte
das mir wesentlich
erschienen war, fast

alles womit ich
bis dahin meine
tage gefülllt hatte
fragte ich mich -

da ich offensichtlich
dennoch weiter existierte
- in dieser neuen leere -
was wohl von mir übrig war

was noch von bedeutung
sein könnte für mich
was ich tun könnte
das sich lohnte, was

sinnvoll sein könnte
zu tun mit der mir
verbliebenen zeit
mit den von mir

verbliebenen
resten

wahrlich erstaunt
stellte ich da fest:
ich war - in der essenz
die selbe geblieben

angekommen im
herz meiner seele

 

 

 

 

 


 

 

ich zähle nicht

 

 

ich zähle
nicht die frühlinge
die mir bleiben

glaube mir
ihre anzahl ist
bedeutungslos

dem augenblick
will ich mich
unendlich

hingeben

 

 

 

 

 

 

 

schwarzgefiederlieder

 

 

bald werden wir uns wieder

an den geliebten amselgesang

erinnern müssen – also lass uns

lauschen, lass uns sammeln

für unsere seelenkonten:

schwarzgefiederlieder

 

                   für jörg

 

 

 

 

 

 

 

suchte nach einer weisen antwort

 

 

suchte nach einer weisen antwort

auf etwas, das hartnäckig schwieg

 

da leuchtete, für einen moment

ein funke in meiner mitte auf -

 

als wäre eine message

eingegangen ...

 

ich konnte sie jedoch nicht lesen

in meinen eingeweiden

 

als ich das ringen dann ließ

also endlich ausatmete -

 

öffneten sich meine herzohren

für die botschaft – sie lautete:

 

schubidu

 

 

 

 

 

 

 

hin zu besseren tagen

 

 

ich vermisse mein leben
liege nur noch daneben

der kopf tanzt weiter ...
wie schreibt man nochmal HEITER?

warten, harren, hoffen
wanken auf felsen, schroffen

fast alles brach weg -
auf meinem schiffsbruchdeck

draußen tickt die zeit wie immer
steht still in meinem zimmer

ich kann mir auf all das
keinen reim machen

doch das verzagen
will ich tragen -

hin zu besseren tagen

 

 

 

 

 

 

 

sein törichtes herz

 

 

sein törichtes herz
wartete weiter

der ausharrmuskel -
inzwischen ein sixpack

die mailbox schaltete er
ein aus ein aus ein

er wollte schreien -
wozu, wenn keiner hörte

niemehr wollte er mit ihr
immer würde er sie

sein herz stolperte
ja nein ja nein janein

 

 

 

 

 

 

 

noch ist es nicht mai

 


in meiner nase
sammeln sich schon
die buchstaben für
F L I E D E R D U F T
zu einer vorahnung

das himmelsblau
leuchtet heute leichter
herunter zu mir -
erdenbeschwerter

die möven rufen
im kanon mit dem
sonntagsglockenspiel:
alle vögel sind schon da!

die flatterschatten
an der fernwehfarbenen
hauswand zeigen die
unsichtbaren böen -

die mich lichttankende
nun doch in die
gute heimstube
zurück treiben ...

noch ist es nicht mai

 

 

 

 

 

 

 

vergissmeinnicht

 


es steht ja nicht
im scheinwerferlicht

und leuchtet dennoch
himmlisch zart blau

eine augenfreude
am erdenboden

tanzt meine gedanken
hoch zum himmellicht

 

 

 

 

 

 

 

frühlingswind

 


heute singen die amseln für dich

ich hoffe, du weißt, heute
singen die amseln für dich

der wind trägt ihre hellen lieder zu dir

schmiegt sich an dein
verschlossenes fenster

so lange, bis du sie hören kannst
inmitten deiner dunklen stürme

heute singen die amseln
für dich

hörst du?

 

 

 

 

 

zeitentanz

 


als wüssten die uhren
wirklich von den zeiten
unnachgiebig ticken sie
den immergleichen takt
diktieren ihre stunden
was wissen sie schon?

 

 

 

 

 

winteramnesie

 


gegen jede
wahrscheinlichkeit
wohl auch vernunft - mich
alte borkenrinden durchbrechend

trotzig neu erfinden

wie ein schneeglöckchen
das den frühling einläutet
wenn die dunklen tage
sich endlich häuten

bewusst vergessen
was ich von mir weiß
wenn ich mich durch
herzeisschichten beiß

auch ich kann
frühling sein

 

 

 

 

 

fragil stark

 


im schreiben grenzenlos
an fernsten sternen
vorbeischlendernd

im selben atemzug nie

näher an den mikrokosmen
seines seins -

fragil stark gedichtet

 

 

 

 

 

weltenwunderkinder

 


der werdende frühling, der vergehende winter
reichen sich nun tanzend, behende die hände

 

im drehenden kreis ihre kräfte spürend
lassen wir uns hoffnungsvoll verführen

das licht leuchtet jeden tag mehr
über finstere täler bis ans meer

reichen auch wir uns unsere hände
für eine friedenszeitenwende

das wünsche ich uns sehr - -
weltenwunderkinder!

 

 

vom frühling, der früh anfing
 


als ich noch von sehnsucht sing
seh ich auf der wiese so ein - ding
wie hiess es doch noch gleich
frag ich, wintermüde, bleich
ach ja, das ist eine blume
sie blüht zu ihrem ruhme
vor meinem hungrigen auge
ob ich noch zum hüpfen tauge?
was ist das eine herrliche weide
für meine augen, alle beide
also mein herz kann es noch,
das freudehüpfen, ja doch

augenblicklich

 


dieses schöne wort kann nicht warten
zwischen all den wüsten lebenshärten
blüht es auf – wie das blümchen
im asphaltbruch

ohne zögern hebe ich die trompete
reite durch verlassene wintergebete
zu dir hinaus – zu verkünden
den zauberspruch

 

 

                  für elisabeth

unsere herzen, lichtjahreweit

 

 

bitter fragst du, warum
sind unsere herzen so klein

aber sie sind nur klein
wenn wir uns verschließen

wie gehirnsynapsen
wollen sich unsere herzen

verbinden, um zu wachsen
ja, genau: bis zu den sternen

unseren staubgeschwistern

wenn wir uns öffnen
werden unsere herzen

lichtjahreweit

er sang nun

 

 

er sang

nun endlich wieder
seine hellen winterlieder

wie lang
war er gerannt
mit schmerzenden gliedern

in der dunkelsten nacht
war sein licht wiedererwacht

sein lächeln -
gelang

dein schweigen

 

 

dein schweigen
könnte ich fast
buchstabieren

die wörter jedoch -
mit ausrufezeichen
schwirren ohne sinn


den ich lesen kann
zwischen uns -

stumm ...


sie dehnen den raum
unserer verbindung
bis sie fast reißt

ich weiß nicht:
soll ich loslassen
oder festhalten?

als sie

 


noch lächelnde flügel hatte
bevor die lähmende zeitratte
ihre fluglieder fraß, sie vergaß
dass sie fliegen konnte - allein
durch ihren lichteren gesang
der in hungrige herzen drang

als sie noch lächelnde flügel hatte

verbindungen

 


was immer diese wunderlichter
zwischen uns leuchten lässt - -

ich will sie hegen und behüten
neue samen suchen und wässern
ich will mutig sein, offenherzig
vergebend, hell, mitfühlend

ich will wache sinne haben -
nicht nur ohren - für meine
mitmenschen und mich und

uns - für uns gemeinsam

südenweg

 

 

er erwachte
um 2 uhr 22

in seinem kopf
die luft stickig

er riss das
fenster auf

herbstwind
kaltete ihn an

der sommer -
wieder vorbei

da schrien
wildgänse

auf ihrem
südenweg

ich will mit
dachte er

wie ich ein wunder gewann

 


inmitten meines schweigenden gedichtes
fand ich eben: warmes, weiches, lichtes

da rissen in mir jäh eisschichten -
mein lebenslied drang dann
in sprachlose undichten

ins schweigen fiel

 

 

ins schweigen fiel
der engel nun still

er ließ das ringen
alles erdenschwer

gelangte ans meer
licht zu besingen

hoch ins tiefe ziel

polareiswind

 

 

sein sehnen, mit
weitausgestreckten
armen – erstarrt


er stand allzulang
in polareiswinden

ach könnte er nur
das fährenschiff
wiederfinden

 

ein wort

ein wort

letzte nacht

 

 

letzte nacht aus
bilderlosem traum
erwacht

ging ich zum fenster
als habe etwas gerufen
nicht: jemand

es stand weit offen
augustschwüle luft
auf der schwelle

auf dem trottoir
ging eine frau gassi
mit somnambulem hund

sie, eine erscheinung:
kohleschwarze haare
langes weißgewand

… am morgen
erwachte ich mit
lichten gedanken:

wenigstens ein
stilles lächeln gib
dem neuen tag

und immer weiter
staunen

sonnengelb, lichtdurchflutet

 


sonnengelb, lichtdurchflutet, sehnend
sehend von jetzt zu jetzt, wahr sein
sinne suchend singen. spring endlich

gestern, der regenbogen

 


gestern, der regenbogen
am grauen himmel, da oben
leuchtendes flüchtiges bunt
als die wolken zogen -
offener sonnenmund

innerlichst

 


innerlichst frei verbunden
gut tief atmend, animalisch
den widerständen trotzend
in fließendem schneckentempo
glitzernd lichtspuren
gelassen

in leisem summen

 


in leisem summen
höre ich mein leuchten
in fremden seitengassen
flüstert moosgrünes unkraut
neu meinen traum

sanft lächelnd atmet
der alte leuchtkäfer auf
er bricht auf, nackt
hin zum lichten
morgenwald

 

schon zu lange

 


schon zu lange bangend
auf die dunklen seiten gesehen
selbst verhangenes schwaches
winterwolkengrau blendete

sieh ins licht
gewöhne dich
es geht ins helle
von nun an, eben
fand ich die schwelle

nachtwald

 


blind glühend ging ich
durch leuchtende tore
vertrauend selig durch
nachtwald dieses eine
mal furchtlos, zu dir
und blieb.

post für dich!

 


während du dich wegsehnst
in ferne sommerparadiese
duftet zart im wasserglas
eine gelbe nachbarsrose

du sitzt noch
am nachmittag
in pyjamahose
am pc-horizont

durch das gekippte
küchenfenster luftet
juniregenduft

den regenbogen
hinter der glitzerbrücke
siehst du später, im
insta-feed anderer

da lacht unten
auf dem trottoir
ein briefträgerkind :
post für dich!

post für dich
vom paradies
jetzt und hier!

bis die amsel wieder singt

 

 

für die dunklere zeit
wenn dein herz schneit
die amsel schweigt

male ich für dich
helle farbenfelder

schenk dir ein lied
das weiterklingt

reich dir zeitlose
brückenhände

über erkaltete
herzwände

lass uns tanzen
bis die amsel
wieder singt

alles eins

 

 

durch das gekippte
waschküchenfenster
drang geigenklang

die hellen töne zogen
ihn in den hofgarten

dort, auf staubigem
plastikstuhl gingen
seine tauben sinne
langsam wieder an

der windtanz trug
erste sommerwärme
holunderblütenahnung
abendvogelsang -

alles eins mit dem
violinenklang

als er zurückging
begleitete ihn ein
flatterspatz, der kurz
vor der hoftür steil
nach oben stieg

nun blickte - endlich
auch der mann ins
himmelsweit

aufstehen

 

 

wenn
das leben
leise seine
wunder
tut

mit sanftem
augenzwinkernlächeln

dann
sollen wir
staunend
seine hand
nehmen

 

und wieder

aufstehen

resilienzkonto

 

 

eselsohren, in weise seiten geknickt

kompositionen, die fliegen lehren

frühlingsblumen, amselgesang

abendhimmelsleuchten

gütig lächelnde augen

herzbegegnungen -

 

absichtslose einzahlungen

auf dein resilienzkonto

Ilu aus meinem Buch "Zufallsengel", Vier Türme Verlag

     dieser grünsteifen

 


an dem sie achtlos
vorbeifuhr - durch
sorgenwolkendunst

war für die kinder
die da spielten wohl
kindheitsparadies

ausatmen

 

 

als er
tiefdunkel
verstummte
saß neben ihm
still schweigend
die poesie - sie sah
ihn an, hellsanft

dann konnte er
ausatmen

schattentauben

 

 

im schaufenster
die spiegelung
eines kindes

es rennt -
ich sehe nicht
wohin

da fliegen
an der hauswand
schattentauben auf

Ilustration aus meinem Buch "Zufallsengel", Vier Türme Verlag

und : tanzen

 

 

es blieben nunmehr
folgende aufgaben

frieden eratmen

alle zerbrochenen teile
warm umarmend

das geschlagene herz
durchlässig sein lassen
für fast erblindetes

leuchten

den silbernen
gefallenen faden
selbst hochhalten

unsichtbare wege
weiter gehen

fast alles

lassen


dennoch
hoffen

 

und : tanzen

habicht

 

 

die furcht

hab ich dicht

im tal gelassen

 

umzingelt von

unverdauten

kellerkreaturen

 

sie alle starren

mich stumm an -

winterweiß

 

steigend neu

vertrauen

bauen, blind

 

fäden allein

aus herzkraft

spinnend

 

trotz allem

das zu viel

 

zum opfer fiel

ich nicht

 

ich schrei

sei sei sei!

winterschweigend

 

 

winterschweigend neigen
ohne himmelsgeigen

gerissene fäden spinnen
ganz von sinnen

tief innen
eigen

 

 

 

 

ohne sehnen

 

 

gesehnt
winterlang

bist du nicht gekommen
haben wir uns verpasst?

kann nicht länger warten
mein garten verdorrt

genau dort
nicht auf wolke sieben


werde ich mich jetzt
neu verlieben

in die eine
gegenwart

ohne warten
ohne sehnen

phönix ist

 

 

wenn der phönix

in seiner asche erwacht

hat er kein stolzes gefieder

kann sich kaum entsinnen

dass er ein vogel war -

 

ist

 

allein

durch seinen mut

will er sich erheben

denn er liebt das leben

und die liebe lässt sein herz beben

so, nur so, kann er wieder

gen himmel streben -

 

sich neue flügel

wachsen zu lassen

 

 fluggefährten

 

 

als ich

zum stoßlüften

das fenster öffne

in meiner guten stube

hochparterre, störe ich einen

schwarzgefiederten vogel gegenüber

beim aufpicken seiner mülltonnenmahlzeit

er beäugt mich krächzend, argwöhnisch. ha!

denkt wohl, ich könne fliegen, ihm

gar sein essen streitig machen

 

die aufgepickte mülltüte, die

aus der weihnachtstageüberfüllten

tonne ragt, knistert nun flatternd im wind

vielleicht meint auch sie

fliegen zu können?

 

wir drei wären doch

seltsame fluggefährten:

krähe, mülltüte, poetin!

 zwischen den jahren

 

 

schneestill im

blauestundenleuchten

sanft durchatmen

 

vertrauensvoll

innehalten

 

ohne je zu wissen wie

frühlingskräftewunder

wachsen lassen

 

neue lieder erträumen

dein herz dem segen

zuwenden, weitoffen

 

im werdenden lächeln

entstehen neue wege

für dich

gedankentanz, dichter

 

 

im spannungsfeld

von wilder freiheit,

essentieller form

 

dem gänseblum

ein königreich

verschreiben

 

rätsel fischen, über

ihren schuppenglanz

reime staunen

 

wunden endlich

mit wunderworten

wohl versorgen

 

augenblicken schenken

was ihnen gebührt :

dein reiches leben

 

alchemisch tief graben

kopfflügel weiten, so

wagemutig fliegen

 

im eigenrhythmus der

erlauschten herzklänge

aus der alltagsenge

 

welten erträumen

ein gedicht lang

wahrhaftig frei

 

 

 

 

bisher nur postkarten

 

 

willst du gut leben

lerne früh auch das sterben

 

am ende des tages gib dich

dem dunklen schlaf ganz hin

 

nach einem einatmen

lasse die luft bewusst los

 

das rauschende fest -

höre die stille danach

 

erkenne sattheit -

wenn es eben genug ist

 

das schönste lied

hat sieben strophen

 

geh in winters kälte

buchstabiere sie, deutlich

 

halte auch mal inne

widerstehe dem gieren

 

tanze wagemutig tango

mit deiner angst ...

 

wer das kleine sterben

wirklich wahrlich erlebt

 

vermag es am ende wohl

furchloser den fremden tod

 

der bisher nur postkarten schickte

willkommen zu heißen?

 

 

 

 

noch nicht genug

 


ich kann, immer noch
wunder bestaunen

wie ein kind haltlos
im jetzt tanzen

mich unbändig freuen
über den vollen mond

das firmament grenzenlos
mit rätseln bemalen

schmunzeln - gar nicht
weil, sondern trotz

das kleine gänseblümchen
von herzen lieben

mit aufrichtigem dank
schwere tage verabschieden

am morgen wirklich
neu erwachen

sternenlichtwege gehen
unwissend gegenwärtig


sein

wagemutig vergeben
mein hasenherz aufmachen

immer wieder aufs neue
an das gute glauben

der sonne zuzwinkern
das grau verzaubern

singen, oh ja, singen
neue kräfte erringen

lassen -
doch auch halten

das verzagen umarmen
neugierde entfachen

wahrlich, ich hab
noch nicht genug

 

 

 

 

mama ellas

küchenschwelle

 

 

gegen mitternacht

löffle ich warmes

reineclaudenmus

aus dem kochtopf

 

auf einmal ist mir

mama ganz nah - nicht

die sie am schier

endlosen ende war

 

wenn mama früher

früchte einmachte

pfiff sie tonlos

froh vor sich hin in

aromareich reifem

spätsommerduft

 

ein salztropfen

fällt jetzt in

mein süßes mus -

in meine helle

gelbleuchtende

erinnerung ...

 

ich stehe wieder

freudig wippend

auf mama ellas

küchenschwelle

 

 

 

 

deine schönheit

 

 

gegen jedwede vernunft

bildet sich, segensreich

mitten im tosenden lärm

ganz leise neues sein

 

es ist wahrlich dein

geschenk des himmels

 

aus all dem dir zerrissenen

fügt sich nun ein neuer

mosaikhautmantel

 

deine schönheit leuchtet

an seinen bruchkanten

wahrhaftig tief auf

 

 

 

 

alt werden

 


seelenfalten
lieben lernen

poesie leben :
nicht müde werden

schmunzelnd
manchen traum
frischgewaschen
zusammengelegt

im lavendelschrank
aufbewahren - für

die guten tage
also jetzt

 

 

 

 

scherbensteg

 

 

gehst du nur mutig voran

entsteht aus dem nebelnichts

das blind vor dir aufklafft

ein schmaler scherbensteg

 

ein weg - genau so breit

wie dein einsamer fuß

 

wenn du jetzt aber tanzt

ohne dich zu fürchten

werden die tiefen wolken

dich tragen - weit

 

in fremd lichte wunder-

länder, die endlich dir

heimat sein können

 

gehtst du nur mutig voran

 

 

 

 

mosaikbrücken

 

 

wir sitzen fest

im scherbenhaufen

keinen schritt

kann man - so

weiterlaufen

 

lass uns zusammen

wieder aufstehen

gemeinsam werden

wir wohl neue

wege sehen

 

aus all den

zerbrochenen

stücken bauen

wir miteinander

mosaikbrücken

 

ich glaube

hand in hand

wird es uns

glücken

 

 

 

 

klick

 

 

als die feuerwehrautorote
nähmaschine, baujahr 1994
zu mir zog - vorgestern -
fehlten ihr zwei teile


während ich im weltnetz
danach wühlte, wieder mal
ein aufgeregtes flatterhuhn
in unbekanntem fremdland

stellte ich seltsames fest:

meine flohmarktfundmaschine

hat wohl magische kräfte

sie war das fehlende teil
in meiner lückengeschichte
sie machte plötzlich klick


auf einmal fügt sich nun

was zu lang in haltloser

luft hing - zusammen

am nachtfirmament, sein

schalter endlich wieder

auf on, blinkte eben

für einen moment

ein wort auf


zuhause

 

 

 

 

sieben wunder

 

 

ich will wieder

an sieben wunder

glauben lass mir die

zuversicht nicht mehr

rauben klettere endlich

aus diesem schweigenden

elfenbeinturm über alle

kalten schutzmauern, die

keinen einzigen schmerz

verhindern, zurück

ins leben

 

 

 

 

verwegen

 

 

ein pfeifender

nachtspazierer

zieht mich aus

meinem kopfkino

an das gekippte

küchenfenster –

ich staune, dort

duftet die luft

schon nach

frühling

 

im vorübergehen

schenkt mir dieser

schlenderer noch

nonchalant die

entdeckung des

sternenhimmels

 

als ich, anders

an meinen

flachhorizont

zurückkehre

klicke ich

verwegen den

ausschaltknopf

 

 

 

 

Ilu aus meinem Buch "Zufallsengel", Vier Türme Verlag

am grund

 

 

vom stillen gesang des lichts

ein großes staunen erhebt den blick

heilig verbundene wege ins nichts

künden vom sanften, freundlichen ja

ja, heimgekehrt ins menschental

vom herz, das endlich wieder sah

flügelspannenweit von qual zu qual -

am grund kehrt das hoffen zurück