„In Augenkontakt mit den Dingen sein, für die ich Wörter zu sammeln versuche.“
Christoph Wilhelm Aigner
"Die Krähe
fürchtet die Krähe nicht
aber der Mensch
ist des Menschen
bangste Begegnung."
Hilde Domin
Mein Beitrag (22.07.2024)
In meinem Hirn tummeln sich die Reize
wie Touristen in überfüllten Einkaufsstraßen,
blockieren meine Sicht, mein Gespür
wie die Schnäppchenjäger die Wühltische
in der letzten Phase eines Schlussverkaufs
und auf der Leinwand explodieren die Bilder
in einem Blitzlichtgewitter, bevor die Farben
ihren Sinn und ihre Schönheit entfalten.
Die Neurotransmitter machen Überstunden,
stauen sich an der Mautstation der Synapsen,
die verständnislos die weiße Flagge hissen und
für die Erweiterung der Bahnen demonstrieren.
Bleibt zu hoffen, dass die emsigen kleinen Bienen
ohne Gewerkschaft niemals den Streik für sich
entdecken – wer sollte sie beschwichtigen?
Das Gehör erzittert, windet sich unter dem
unaufhörlichen Ansturm flacher Wirklichkeiten.
Gleich einem Sandsturm schneidet sich ihr Ton
durch die Haut meiner Empfindungen, hängt sich
wie ein Parasit an die zwischenmenschlichen Fasern.
Nun lassen sie sich einmal kurz verführen, ja
in die Arme schließen von der folgenden
Vorstellung: Das Leben – ist ein Sommerkleid.
Wie angenehm leicht, geradezu lächelnd trägt
sich nunmehr der Alltag. Das beschwingt luftige
Wesen verhindert das Überhitzen der Gemüter,
hebt ihre Gedanken über die Mauern einer
grobmaschigen, monochromen Welt. Seine weiche,
fein gewebte Umarmung stimuliert die Zellen,
macht sie empfänglich für Nähe und Berührung
und die fröhlich schwebenden Farben und Muster
veröden den Zugang zur Gier, öffnen den Blick
für die Bedeutung und den Wert der Schönheit.
Das Leben ein Sommerkleid – mein Beitrag
zum Weltfrieden, dazu die Luft verwoben
mit einem Hauch von knisternder Intimität
und im Glas das sexy Gewand
eines sinnlichen Rosés.
Der Eine – Aufziehende Kreise
(11.07.2024)
In den wenigen windstillen Momenten,
da die Akteure in ihren stillen Kammern
ihre viel kritisierten Rollen optimieren,
dringt der verlorene Ruf der Gegenwart
an mein bühnenerprobtes Gehör,
dann schimmert schwach der Pfad
zum Ufer ihrer wartenden Erkenntnis
durch das wuchernde Gedankendickicht.
Vorsichtig folge ich meinen alten Spuren
nicht zu schnell, sie nicht zu verschrecken,
bis ihre Anwesenheit meine Füße benetzt.
Ein letzter prüfender Blick in die Wipfel,
dann betrachte ich die Quelle der Achtsamkeit,
schaue hellwach auf die gelebten Jahre,
dem Spiegelbild bewegter Erinnerungen,
hoffend, dass sich ein Name offenbart.
Doch bevor er die Oberfläche durchdringt,
er zur Wahrheit wird, frischt der Wind auf,
belebt die Gestade und es fällt ein Stein.
Seine aufziehenden Kreise verzerren
das Gesicht, verwischen den Pfad und
das Ende eines weitverzweigten Weges.
Im Hintergrund – der Eine jongliert
im Clownskostüm mit vertrauten Bildern.
Seine stummen traurigen Lippen formen
die schon lang erahnte Antwort und
vor ihm türmen sich wartend die Kiesel.
Der Eine – Der ewige Roman (06.07.2024)
Und der Eine – der aus sich selbst agiert
er tritt diese Tage ins Licht und schweigt.
Er – der einer unter vielen und doch alle ist
Er – der zwischen den Gedanken spricht,
betrachtet den Richterspruch und schreibt
an der Fortsetzung seines ewigen Romans.
Das Gewicht seiner Werke liegt schwer
in den verzweigten Regalen unserer Jahre
und ein Beben erfasst die fragile Struktur
fügt er ungefragt einen neuen Band hinzu.
Die Übersetzung seiner Sprache fordert viel
von dem Sand in meinem Stundenglas,
denn die Quelle seiner Feder – sie versiegt nie
tränkt das gierige Papier ohne Unterlass.
Und scheinbar unbeschadet hat die Kraft
seines Wirkens die Zeit wohl überdauert,
doch seine Stille formuliert Veränderung –
zeigt einen Hauch von Wir in seinem Blick.
Und die neuen Zeilen legen sich wie Finger
auf die tiefe Landkarte meines Lebens
und die Schwere seiner ersten Berührung
entblättert Nacktheit – ein neues Gesicht.
Das Weiß der Blüte (02.07.2024)
Auf der Suche nach einem sicheren Ufer
schwimmen die Gedankenfetzen
durch ein Meer toter Sekunden.
In der Ferne immer wieder – das Edellieschen.
Seine Vollkommenheit füllt den Balkon,
befeuert das Verlangen nach Antwort.
Das Weiß der in sich ruhenden Blüten
formuliert den stummen Wunsch
einer Schatten befleckten Gegenwart.
Dickflüssiger Montag (22.06.2024)
Meine Blicke hängen sich
an die träge Saat der Bäume.
Auf dem Weg ihrer Bestimmung
verlieren sie den luftigen Weg, folgen
dem Gemütszustand des Tages.
Wolken, flach und langgezogen,
schleichen unmotiviert über
einen selbstvergessenen Himmel.
Einzelne gedämpfte Vogelstimmen
halten das Spiel am Laufen.
Von der benachbarten Straße
klingen die Autos gequält, als
pfeifen sie aus dem letzten Rohr.
Aus meinem Frontallappen
tropft zäher Buchstabenhonig,
klebt meine Motivation
an den Grundriss des Balkons
und in den Straßen liegt das Leben
scheinbar ausgelaugt, wie
nach einer durchzechten Nacht.
Im Stillen zählt der Montag
seine Sekunden – wartet
auf die Ablösung.
Dehnbarkeit des Nichts (15.06.2024)
Der Blick durch die Balkontüren steht still
addiert die Befindlichkeit der Bäume.
Unter der Aufdringlichkeit des Regens
lassen sie ihre Schultern hängen.
Die Gravitation des Sofas hat zugenommen,
zieht meine Sicht in die Schwere der Polster
und meine Jahresringe auseinander.
Hinter der regengetrübten Iris
schwirren Worte wie Fliegen um das Aas.
Ihr fortwährendes monotones Surren
verhindert den Fokus aufkeimender Bilder.
Der Mangel an Bedeutung legt sich
wie ein Schleier über die Fragmente der Welt.
Aus den Bücherregalen tönt das Schweigen.
Die Teilnahmslosigkeit ihrer Bewohner spricht Bände.
In der Unordnung meiner Möglichkeiten
nicht die kleinste Spur eines Lesezeichens
und die Leere des Blattes beansprucht
für sich die Gegenwart.
Leere Seiten (08.06.2024)
Im Hintergrund der Bühne
hängen die Rollen der Akteure
aufgereiht wie vergessene Anzüge
einer geschlossenen Wäscherei.
Die Zeigefinger der Intendanten
schreiben ihre Erwartungen in den Raum,
wie Absperrband ziehen sie sich
um die knarrenden Dielen.
In einer Ecke, der Eine
sucht nach seinem Text,
doch die Teer befleckten Hände
ziehen nichts als leere Seiten
aus den ausgebeulten Taschen.
Eine Sekunde hat 60 Minuten
und auf den Telepromptern
blinkt tempus fugit.
Im Gewühl der Jahrzehnte
(04.06.2024)
Das süße Pendel der Weiblichkeit
schwingt sich durch die Klarheit
einer lichtdurchfluteten Idylle.
Vertraute Worte schmiegen sich
in verspielt zärtlichen Berührungen
an die Erinnerungen der Konturen.
Worte in ihrer unbeschwerten Jugend
frei von dem Gewicht eines Lebens.
Mit stummer Last greift die Sehnsucht
nach der flüchtigen Intimität,
doch das Pendel treibt die Zeit
und so rinnen ihr die Worte durch
die Schwere der geöffneten Finger.
In der Stille des Zimmers
(30.05.2024)
In der Stille des Zimmers
entstehen Welten
abseits alles Irdischen,
kämpfen unbewusst
um den Erhalt
der kindlichen Seele.
Sie lacht, versteht noch nicht,
wie das Laub fällt
und den schmalen Pfad bedeckt.
Jahrzehnte später entstehen
in der Stille des Zimmers
Welten abseits alles Irdischen …
Dort, wo die Mannschaft
das Spiel am Laufen hält,
legt der Unparteiische
die Regeln auf die Goldwaage.
Ich warte auf die Einwechslung,
denn die Anzeigetafel steht noch
auf unentschieden.
Und in der Ferne stand ein Leben (29.05.2024)
In den vielen Sommernächten lauschte
die alte Eiche der unausgesprochenen Zukunft,
erträumte in stummen Versen die Unversehrtheit,
umarmte mit weit ausladenden Ästen das Refugium.
… und in der Ferne stand ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weinte.
Deine Augen suchten unter der Haut
nach der Formel für bedingungslose Intimität.
Deine Fingerspitzen verfehlten das Tor der Zellen,
stießen auf nackte Worte, lösten nicht die Gleichung.
… und in der Ferne stand ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weinte.
Das Lied blickt zurück auf ein Leben,
dem Anfang eines Kampfes um Ursprung,
pulsiert um die ungefüllten Stellen des Rätsels
brennt sich süß und heiß durch die dürren Fasern.
… und in der Ferne steht ein Leben,
während die Unschuld ein Lachen weint.
Und jetzt ist alles (29.05.2024)
Die Räume deines Herzens sind gefüllt
mit dem Rausch verlorener Berührungen
mach es frei – denn jetzt ist einfach alles.
Und jeder Zentimeter deiner Haut zeigt,
die Entscheidungen pulsierender Momente
berühre sie – denn jetzt ist einfach alles.
Die Furchen in den Feldern der Erinnerung,
sie sind tief und der Grund weich vom Blut
fülle sie – denn jetzt ist und bleibt einfach alles.
Fragen zur Rotation (29.05.2024)
Sind das Silber und Gold
nur noch billige Legierungen
einer inflationären Verständigung?
Betrachtet man ihren aktuellen Kurs,
bleibt der Gewinn allmählich aus.
Wenn weniger mehr ist,
warum nicht in diese Aktie investieren?
Und wenn das Ganze mehr ist
als die Summe seiner Teile,
warum bleiben so viel Areale ungefüllt?
Die Fragen verblassen
in der unaufhörlichen Dominanz
der Rotation.
Spurensuche (26.05.2024)
Inspiriert durch Jacques Dulon
Da liegen die ausgedörrten Felder
beraubt der Erinnerung
an überschwängliche Ernten.
Unaufhörlich zieht die Feder
durch die trockene Erde,
lockert den Grund auf der Suche
nach überlebendem Saatgut,
einem Zeichen der Fruchtbarkeit.
Doch die Erde bewahrt das Blut
und die Feder verliert ihren Schliff
an den achtlos zurückgelassenen
Gesteinsbrocken.
Assimiliert (25.05.2024)
Mit leichten Füßen tänzelnd
über die Blätter flüssiger Klänge
erheben sich flüchtige Nebel
gefüllt mit den vagen Konturen
süß vertrauter Berührungen.
Im Verborgenen (25.05.2024)
Die Symbole
jahrzehntelanger Entscheidungen
verschleiern die Natur,
doch die Vitalität der Worte
bewegt das Geheimnis
unter der Haut.
Laufen lasen (25.05.2024)
Das gläserne Goldgelb
füllt den Äther mit dem Duft
eines leichtfüßigen Tages.
Kontinuierlich lockert sich
das Blei der Erkenntnis,
weicht dem feinen Geäst
farbiger Momentaufnahmen.
Die Sprache der Lippen
(23.05.2024)
In der Wahrheit der Lippen
offenbart sich
die Unsicherheit der Worte,
erfüllt sich
der Klang der Zellen.
Wie Seifenblasen
zerplatzen die leichten Tage
an den Stacheln der Banalitäten,
den Zäunen darwinistischer Enge,
da der Wind nicht nachlässt.
Ich erinnere den Kranich,
wie er mit weiten Schwingen
die Bedeutung
aus der Gegenwart sammelt
und in stillen Kreisen
über die satten Felder streicht.
Ohne Raum (22.05.2024)
Aus den abgegriffenen Stellen
inflationärer Anatomie
entweicht der Ursprung,
tropft das Offensichtliche.
Der Abstand zwischen den Zeilen
verhindert das Atmen
und die Wurzeln veröden.
Was kommt danach? (22.05.2024)
Wo sind sie hin, die leichten Worte?
Die filigranen, flüchtigen Gewebe,
die gezielt die Gefühle punktieren,
neue Inspirationen gebären.
Müde sind sie alle, da die Hässlichkeit
zäh wie Teer an ihrer Bestimmung haftet.
Im Abwägen des Menschlichen
sind die Waagschalen gefüllt
durch Klang und Kakofonie.
Die Wahrheit in der Begegnung (18.05.2024)
Was verraten dir deine Facetten,
wenn du dich näherst,
dein vierblättriger Rücken
deine Präsenz in die Stille hebt
und den Fluss der Zeit bestimmt?
Deine Neugier adelt mich.
Legt sie doch wieder mehr Gewicht
in die Waagschale der Bedeutsamkeit.
Der Sturm (18.05.2024)
Willst du dem Sturm
wirklich sein Wesen entreißen?
Hast du denn letztendlich
nicht schon in sein Auge geblickt?
Ist die Jagd nach seiner Wahrheit
nicht nur ein Deckmantel –
für die Ruhe danach?
Die Worte, die ich nie schrieb (18.05.2024)
Die Worte, die ich nie schrieb,
sind die stummen Zeugen
eines unvollendeten Mosaiks.
Wie Scherben liegen sie
in Jahrtausend alter Erde,
wartend auf die Entdeckung
der Sprache.
Kein Liebesgedicht (18.05.2024)
Wenn die Abwesenheit von Liebe
die Feder an den Boden bindet,
sie stumpf über das welke Papier kratzt,
öffne mit sanften Fingern seine Poren
und tränke es mit der Glut deiner Träume.
Hänge die blühende Liebe an den Horizont
und verhindere für eine Weile –
den Verfall der Zellen.
Sei gewiss (18.05.2024)
Bevor du den Spiegel aufhebst,
festige deinen Stand, sei dir gewiss,
der Schlag aus dem Nebel kommt direkt
und stumpfes Glas zeigt hässliche Fratzen.
Der Blick in den Lauf (18.05.2024)
In den leeren Regalen
offenbart sich das Gesicht
eines heraufziehenden Nebels,
zeigt sich die Verletzlichkeit der Realität.
Der Blick in den Lauf demaskiert,
doch das Schlafende erwacht erst,
wenn die Wege sich verengen
und die Wände näher rücken.
Herkunft (18.05.2024)
Wenn sich die Schatten
ihrer Herkunft erinnern,
bekommt der Blick
in den Spiegel Konturen
und der Kaninchenbau wartet.
Zärtlichkeit des Wassers (18.05.2024)
Getragen durch die
Zärtlichkeit des Wassers
verneigen sich die Akteure,
fällt der Vorhang und
das Schweigen ergibt sich
der Rotation der Erde.